Campaign

Termine

13. Oktober 2006, 20. Oktober 2006, 27. Oktober 2006, 3. November 2006, 10. November 2006, 17. November 2006. Jeweils 22:30 in der Roten Bar des Volkstheaters Wien.

Was ist Rollenspiel?
Campaign bedient sich des Grundsettings einer klassischen Pen-and-Paper Role-Playing-Games, einer speziellen Form des Spiel-Erzählens, die in den 1970er Jahren (Dungeons&Dragons u.a.) entwickelt wurde. Geregeltes Storytelling ist das Stichwort.

Vorgeschichte
Der populäre Lokalsender PLUS tv hatte immer sensationelle Bilder. Von der Krumpendorfer Rotwanderung, vom Tatra-Outbreak, vom 3:2 gegen Süd-Karinthien, von der Kernschmelze im Praterreaktor und sogar von der Befreiung von Lotte Dampasch. Doch leider war keine der Stories von Fratt Aigner. Fratt ist seit zwölf Jahren Videoblogger beim PLUS TV und schafft den Karrieresprung einfach nicht. Sein Harnsäurewert ist weit über Durchschnitt, seine page visits sind unter jeder Sau und aus der Email-Verteilerliste für Kino-Pressevorführung ist er vorgestern rausgefolgen. Fratt braucht endlich einen medialen Scoop! Wird ihm seine neue Partnerin, die Kamerafrau und Doppel-Jackerin Alalia Grundschober, dabei helfen können?

Gäste:
13. Oktober 2006: Beatrice Frey und Andreas Krach Stoiber
20. Oktober 2006: Alfred Dorfer und Gerlinde Lang
27. Oktober 2006: Katharina Stemberger und Gerald Votava
3. November 2006: Karl Ferdinand Kratzl, Kathi Schwarz, Christian Strasser
10. November 2006: Hans Wu, David Dempsey und Michael Wolschlager
17. November 2006: Gregor Seberg, Eva Jantschitsch (aka Gustav), Lorenz Seidler (aka eSeL)

Mitwirkende:

Hauptrollen: Andy Hallwaxx, Annette Isabella Holzmann
NPGs: Claudia Sabitzers
Gamemaster: Johannes Grenzfurthner, Roland Gratzer
Schnellzeichnungen: Clemens Kindermann
Stenograph: Markus Hofbauer
Toneinspielungen/Sounddesign: Michael Wolschlager
Kamera: Christoph Öhler
Webdesign: Daniel Fabry, Anika Kronberger
Schnitt/Blog: Christoph Sonnleitner
Assistenz: Thomas Schöndorfer
Dramaturgie: Hans Mrak
Technik Rote Bar: Sebastian Hartl
Musik (FM4 Soundpark Wettbewerb): Stefan Franke, Skizzo Franick, Loom Light

Eine Zusammenarbeit mit FM4 Soundpark und esel.at


 

 



Episode 6: Die Vernissage

Fratt und Alalia trauen ihren Augen und Ohren nicht: Harum Brandstetter gratuliert ihnen zum großen Erfolg der letztwöchigen Donauinsel-Story. Der ORF habe für die Aufnahmen vom Tumult auf der Donauinsel mehrere Hunderttausend Euro bezahlt. Als Dank dafür dürfen Fratt und Alalia zu einem VIP-Empfang ins MUMOK (Museum moderne Kunsthalle) ins Museumsquartier gehen. Harum und seine Frau können die Einladung aus Zeitgründen ohnehin nicht annehmen und es wäre schade um die Eintrittspässe.
Das Museumsquartier ist seit Jahren stark heruntergewirtschaftet. Lediglich 83 Kreativagenturen und 62 Kreativagentur-Angestellte-Bohémien-Cafés sind verblieben. Der Schwesternbetonklotz des MUMOK – das Museum „Sammlung Leopold“ – wurde vor Jahren von Restitutionsfeinden abgefackelt („Wenn wir das Zeug nicht haben dürfen, dann soll es niemand haben!“) und nie wieder aufgebaut.
Als Fratt und Alalia im MUMOK eintreffen, stellen sie sofort und enttäuscht fest: „Scheiße! – Das Buffet ist außer Sichtweite!“



Auf der Bühne hält Chefkurator und Direktor Claude Cheval die Eröffnungsansprache für die Ausstellung. Da diese vom Ströck Art Center gesponsert wird, dreht sich alles um die Großartigkeit des „New Baking“ und um die daraus entstandene Kunstrichtung „Mehl Art“. Einige wichtige Vertreter sind Kunstgrößen wie Günther Brus Willis (er wurde in die Albertina eingesperrt), Christian Ludwig Atatürk oder Jeff Koonst, der eine überlebensgroße Statue des Museumsdirektors, der gerade einen Topfenstrudel bäckt, angefertigt und auf dem Dach des MUMOK befestigt hat.
Am Buffet gibt es nur trockene Brötchen, da Wurst oder jegliche andere Brotauflage nach Auffassung der (schon seit Jahrhunderten streng vegetarisch lebenden) Familie Ströck den wunderbaren Geschmack des Gebäcks zerstören würde. Der Marketingleiter des Ströck Art Center, Koloman Abramovic, ist sehr an einer Führung durch das Gebäude interessiert. Nach der feierlichen Eröffnungszeremonie bittet Claude Cheval die Gäste in das erste Untergeschoß. Dort treffen sie auf Lou Lindsay, die das Projekt „org org punkt org“ betreut. Dabei soll es sich um eine Schnittstelle zwischen Künstlern und digitalen Medien handeln. Für Claude Cheval ganz klar ein Backbetrieb der Zukunft.



Fratt, der angesichts des sehr puristischen Brot-Buffets, schon länger mit dem Gedanken spielt, sich in die Kardinalschnitten verkaufende Aida bei der Wiener Oper abzuseilen, will sich aber vorher noch das Ströck-Werbevideo ansehen.
Plötzlich ertönt ein schauerliches – ist das etwa Bestandteil der Resch-und-Frisch-Installation? – Geräusch. Alle anwesenden Personen fallen augenblicklich in Ohnmacht. Als Fratt und Alalia aufwachen, finden sie sich mit Lou Lindsay, Koloman Abramovic und Claude Cheval in einem leeren, schwarzen, fenster- und türlosen Raum wieder. An der Decke ist ein schemenhafter Schriftzug erkennbar: „KONZEPTKUNST“. An der Wand stehen die Buchstaben „TULB“ und darunter befindet sich eine Tastatur.



Herr Abramovic schafft es nicht, zu verhindern, dass Fratt, der allgemein als unzuverlässig angesehen wird – dort das Wort „BLUT“ eintippt. Doch scheinbar war der Code richtig, denn plötzlich ändert sich der Schriftzug und in der Wand wird eine Tür sichtbar, während sich der Raum langsam mit einer rötlichen Flüssigkeit zu füllen beginnt. Die Vermutung, es könnte sich um einen Kunstgag – also um ein Backorgien-Mysterien-Theater handeln – wird leider durch eine schauderhaft krakeelende Stimme aus einem Lautsprecher verneint.
Hinter der Tür erstreckt sich ein in Gelbtönen gehaltener Raum, der mit Sand gefüllt ist. „Das ist Treibsand!“, wie sie – aber etwas zu spät, denn Fratt liegt bereits sonnenbadend und nackt im Sand – von einem kleinen, schwarzhaarigen, schwangeren und japanisch aussehenden Mädchen aufgeklärt werden, deren Gesicht nicht zu erkennen ist und die aus einer Düne kriecht.



Sie gibt ihnen ein wirres metaphysisches Rätsel auf, das Herr Abramovic in Sekundenschnelle löst, weil er es aus einem Rätselheft kennt. Der Sand verschwindet und ein Loch tut sich auf, in dem das Mädchen kreischend verschwindet. Das Loch wird von einer Brücke, auf dessen anderer Seite sich wieder eine Tür befindet, überspannt. Alalia will herausfinden, was es mit dem Mädchen auf sich hat und will es interviewen. Claude Chevals Haustier, der kleine Salatdrache Fuji, soll an Herrn Abramovics Seidenschal gebunden werden und mit Alalias Drei-Chip-Kamera in das Loch abgeseilt werden. Fuji wehrt sich und auch das Mädchen schimpft Gift und Galle aus der Tiefe. Die Gruppe entschließt sich, einfach in den nächsten Raum zu gehen.
Dort befindet sich ein Blumentopf mit einem Kärntner Ficus, der sich als der Vater des schwangeren Mädchens ausgibt und in einem mit Kunstzeitschriften (Texte zur Kunst, der Parnaß, aber auch Spex) tapezierten Raum wacht.



Alle Körperteile, die mit der Pflanze in Berührung kommen, werden sofort in Pflanzenteile verwandelt, was der arrogante Claude Cheval am eigenen Leib feststellen muss. Seine rechte Hand wird zum Spross als er versucht, mit einem Feuerzeug den Ficus abzufackeln. Als Abramovic dies sieht, steckt er schnell das "Brotschwert" weg, welches er sich als Angriffswaffe aus in seinen Jackentaschen befindlichen Kaisersemmeln gebastelt hat.



Auch beim Ficus gilt es, eine Aufgabe zu lösen, um den Raum passieren zu können, ohne Gefahr zu laufen, selbst in eine Pflanze verwandelt zu werden. Auf die Frage, was die Gruppe denn repräsentiere, antwortet Lou Lindsay zurecht: „Den Kunstmarkt“. Es ist die richtige Antwort.
Durch die letzte Tür gelangt die Gruppe in eine gigantische Halle im Keller des MUMOK. Auf einem riesigen Basalt-Thron sitzt eine halb verfaulte, in braun-weiße Binden gewickelte Gestalt. An der Wand sehen die Eintretenden drei Kreuze, auf denen Martin Blumenau, André Heller und Ronald Pohl hängen.



Blumenau weiß selbst nicht, warum er hier sei, er hätte doch mit Kunst nichts am Hut und wäre nur Berufsjugendlicher. André Heller flüstert etwas von Fantasie, was aber von Alalia als Freitodwunsch missverstanden wird, dabei will er doch nur flüchten, um endlich für die WM 2026 das Kulturprogramm zusammenstellen zu können. Pohl ist sich dessen bewusst, dass er für sein Lebenswerk leiden muss, aber immerhin war es das beste aller möglichen Leben.
Der Mann auf dem Thron outet sich als der tote Aktionist Rudolf Schwarzkogler. Die greise Valie Export umwickelt ihn immer wieder liebevoll mit neuen Binden. Seine drei Schergen – die Ex-Gegenwartskünstler Erwin Wurm, Hans Bernhard und Johannes Grenzfurthner – sollen die Eindringlinge töten.



Erwin Wurm steckt nur mit dem Kopf in der Wand und will den Angriffsbefehl nicht hören, aber Hans Bernhard zieht eine gigantische Psychopharmaka-Schrotflinte und beschießt Claude Cheval, der plötzlich ruhig und besinnlich wird und sich selbst in Meta-Diskussionen über seinen Charakter verstrickt.
Schwarzkogler, der einzig und allein aus dem Grund, weil er seit 1969 permanent verfault, ein abgrundtief böser Mensch geworden ist, kann letztlich aber umgestimmt werden, indem Alalia ihm vorschlägt, sich von dem Ficus in eine Pflanze verwandeln zu lassen. Er ist von dem Vorschlag begeistert, denn: „Ein Baum ist ewig!“
Johannes Grenzfurthner ist furchtbar enttäuscht und wütend, dass sein Kunstvater nun zum Strauch werden will. Er habe ihn immerhin ausgegraben und Schwarzkogler habe ihn aus den Abgründen der Ironie befreit und in die Authentizität gestoßen. Nun hat Grenzfurthner Angst, im Stich gelassen zu werden. Er läuft tiefrot an und schlägt kreischend seine knallrote – aber stahlharte – Glatze gegen die Betonwand des MUMOK. Durch die Wucht des Aufpralls entsteht ein Loch ins Freie – in den Hof des Museumsquartiers, wo eine jubelnde Menschenmenge applaudiert. Doch der Jubel gilt weder Fratt noch Alalia, die sich durch das Loch ins Freie gezwängt haben, sondern Rammstein, welche anlässlich des ÖVP-Stadtfests ein Konzert spielen. Fratt, Alalia, Claude Cheval, Lou Lindsay und Koloman Abramovic hören sich das musikalische Schauspiel an. Purer Nervenkitzel!



Meta-Kommentar:
Die 6. Episode war ein actiongeladener, fulminanter und überaus klassischer Fantasy-Rollenspielabend. Die Erfahrungspunkte der Hauptdarsteller/innen wurden fast nicht gebraucht, denn Gregor Seberg, Eva Jantschitsch und Lorenz Seidler waren überaus gute Rätsellöser/innen. Einige wesentliche Geheimnisse blieben zwar ungelöst, aber was solls. Auch ein von den Gamemastern befürchtete Würfelorgie beim Kampf gegen den Endgegner blieb aus, da Annette Isabella Holzmann eine wunderbare nicht-martialische Lösung für das Problem gefunden hatte. Andy Hallwaxx gab ich in der letzten Episode ordentlich Gas. Ein wunderbarer Abschluß der Reihe. Herzlichen Dank an alle Beteiligte!

[Gepostet durch die Bloggerleitzentrale von Plus-TV / 11/20/2006 05:38:00 PM]