Fette Beute
Die schönsten Farbkopien aus Kunstbänden
Eine platonische Pop-Austellung von Johannes Ullmaier
Ausarbeitung und Realisation in Zusammenarbeit mit monochrom


Theorie


Aber ich dachte

1. Pop ist Abbildungspraxis dritter oder höherer Ordnung. Nach Platon sind schon die realen Dinge Abbilder, nämlich der Ideen. Die Kunst, traditionell bestimmt als (textliche, bildnerische, lautliche etc.) Nachahmung von Realität, stellt so betrachtet einen Sonderfall von Abbildabbild dar, vergleichbar etwa gegenstandsbezogener Theorie oder (Photo-)Dokumentation.

Weder existieren Ideen, noch sind die realen Dinge (die es auch nicht gibt) deren Abbilder. Kunst ist keine Nachahmung, schon gar nicht von Wirklichkeit. (Photo-)Dokumentation und Theorie sind auch Kunst.

2. Seit der frühen Neuzeit ist die Wahrnehmung im abendländische Kulturkreis durch eine quantitative wie qualitative Verdrängung von Abbildern erster Ordnung ("reale Gegenstände") durch Abbilder zweiter Ordnung ("mediale Gegenstände") gekennzeichnet - ein Prozeß, der kontinuierlich voranschreitet, auch wenn seine Dauer und die Brüche in der medientechnologischen Evolution ihn in der individuellen Sicht oft überdecken.

Im Mittelalter waren mediale Abbilder viel wichtiger als heute.

3. Pop setzt einen Punkt medialer Sättigung voraus, wo Euphorie und Panik sich weitgehend ausgependelt haben, wo das Sekundäre am Primären und das Primäre am Sekundären präsenter wirken als das Primäre am Primären und das Sekundäre am Sekundären.

Die Behauptung, vielen würden die 'realen Dinge' mittlerweile wie ein Fernsehbild erscheinen und - umgekehrt - der Akt des Fernsehens als realunmittelbar, ist Unsinn.

4. Wenn Pop - als Oberflächenkunst - nun daran geht, von den medialen Abbildabbildern noch einmal Abbildabbildabbilder und davon wieder Abbildabbildabbildabbilder etc. zu generieren, so geht es dabei weniger um die spezifischen Effekte des Tertiären und Quatiären als um die Kristallisation - und damit langfristig Vernichtung - des "-(i)ären" an sich.

Pop ist keine Oberflächenkunst. Pop ist Populärkultur.

5. 'Die schönsten Farbkopien aus Kunstbänden' markiert den Versuch, das aus dem Museum in den Kunstband gebannte Abbildabbild ins Museum zurückzuholen, es dort mit dem eigenen Abbildabbildabbild im Internet zu konfrontieren und das Abbild des dabei entstehenden Kontrastes seinerseits im Internet zu präsentieren, die mediale Abbildnahrungskette also so weit auszuleiern, dass der Aura-Drache Farbkopie-Originale frisst.

Originale sind Fiktionen. Aura vorzeitlicher Spuk.

6. Gewidmet ist die Ausstellung dem Kniefall, mit dem Willy Brandt bei seinem Staatsbesuch in Polen 1970 die neue Ostpolitik einleitete.