"Die Seele ist für
einen Bürger das, was für eine Stadt die Fußgängerzone
ist. Tagsüber boomt das Geschäft, aber nach Ladenschluß
torkeln nur noch ein paar Zerzauste herum."
(Max Goldt, "Ae")
Sachbearbeiter Nowak / 01 4000 92221 / genehmigte (in Beisein eines Vertreters der Bezirksvorstehung für den 1. Bez., eines Vertreters der MA 22 sowie des Pol. Dion. Pol. Koat. f. d. 1. Bez.) dem Verein z. Förderung der selektiven Rezeptionsforschung im Sinne futurologischer Belange für den 1. Nov. 1998 (12 Uhr bis 18 Uhr) die Errichtung zweier Tische/Sonnenschirm/Plakatständer am Versammlungsort 1., Stock-im-Eisen-Platz beim Brunnen nächst dem Abgang Kärtner Strasse zur U-Bahn zwecks Erwerb von Fremdseelen.
Ausgestellter Beispielvertrag (C. Töpfner)
Sehr ge/ver/ehrte Damen und Herren.
Es war ein glorreicher Tag für das mitteleuropäische KonsumentInnentum. Das spirituokapitalistische Standl war zwar nur sieben Stunden geöffnet, aber dennoch ein bedeutender Erfolg. Die PassantInnen der Wiener Innenstadt/Stock-im-Eisen-Platz hatten lange genug Zeit für 50 Schilling mit uns in Geschäftsverhandlungen zu treten.
Dies gestaltete sich anfangs allerdings schwierig:
Die Mehrheit der angesprochenen PassantInnen ist grotesk verstört und schleicht sich in kindlicher Angst davon ("Ich trinke vorher noch einen Kaffee, ja?"). Auch die sogenannte ‘liberale StudentInnenschaft’ erweist sich als verstockt, genauso die "‘No Religion’-Leiberl-Pentagrammketterl-Punk-Metal" Fraktion. Mehrmals muß das Personal sich beschimpfen lassen. ["Ja habts ihr einen Schuß?" - "Ja aber sonst seids schon gesund, oder?" - "Lassen sie mich in Ruhe!" - "Ich denke gar nicht daran, ich kenne sie doch kaum." - "Da fall ich ja tot um hier, das geht nicht!" ... sowie wiederholte laute Nennung von weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen und Fäkalien.] Wir müssen auch indoktrinierte Schutzmechanismen feststellen, die die Geschäftsbeziehungen empfindlich stören und Zeit kosten. Kurz vor Vertragsabschluß werden die Gesichter bleich und der Vertrag muß manchmal sogar annuliert werden. Einige AnbieterInnen werden von einer strenggläubigen Christin in den Stephansdom dirigiert, wo sie sich beim Pfarrer erkundigen sollen, ob die Kirche mehr Geld bieten will. Ein jugendlicher Seelenanbieter kauft zehn Minuten nach Vertragsabschluß seine eigene Seele zurück und bezahlt dafür 100 ats. Die bereits erwähnte Christin versucht verschiedene AnbieterInnen vom Abschluß des Verkaufsvertrags abzuhalten, auch tätlich. Unter anderem werden unsere KundenInnen behelligt, oft mehrere Häuserblocks verfolgt, etliche ausgefertigte Verträge werden von ihr zerrissen. Diese müssen erneut ausgestellt werden. Die alarmierte Wiener Polizei mischt sich aber grundsätzlich nicht ein.
Trotz des geringen Angebots bleibt das Team wählerisch. Es werden nicht alle angebotenen Seelen auch tatsächlich angekauft. Harald "Homolka" List fungiert mit Wünschelrute als professionelle Qualitätssicherung. Von vielen PassantInnen wird dies als Gratis-Seelentest ohne Verkaufsabsicht mißbraucht. Dem Mißbrauch wird schnell ein Riegel vorgeschoben.
(Anm.: Karl Merkatz züngelt uns nur etwas eher Unverständlich-Frivoles zu.)
Insgesamt werden fünfzehn hochqualitative Seelen angekauft und registriert.
Diese Seelen werden nun zum Verkauf an Drittpersonen mit Verfügungsgewalt freigegeben. Wir verstehen das Projekt - abseits aller philosophischen Diskurse und Gottesbeweisführungen - im klassischen Sinne als durch Angebot und Nachfrage gesteuert. Die Seele ist ein Form von tradeable investment, sozusagen eine Form virtuellen Kapitals.
Seelendaten
Auktionsnummer / Name / Geburtsdatum / Wohnort zum Zeitpunkt des Verkaufs
Bei Ankaufswunsch notieren
Sie sich bitte die jeweilige Auktionsnummer, schicken Sie uns ihr Angebot
an seele [ät] monochrom [punkt] at
Mindestgebot ats 20 EUR pro Stück.
Bis jetzt liegen Angebote vor für:
Jörg Piringer: EUR 130
Barbara Kaiser: EUR 239
Maximilian Kigl: EUR 184
Julia Zwölfer: EUR 1050
Wilhelm Zaillthal: EUR 2500
Susanne Luschin: EUR 170
Christian Töpfner: EUR 225
Fahem Amir: EUR 430
Sabine Gomayer: EUR 42
Lukas Szopa: EUR 50
Ein Projekt der
Gruppe
(stolz auf flache Hierarchien und
verteilte Entscheidungsstrukturen)