Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten
2010

Die Change als Change begreifen.

In einer großen Verleihgala (Facebook Event, Twitter tag: #wolo10) wurden am 26. November 2010 im Wiener Figurentheater Lilarum jene Menschen ausgezeichnet, die im letzten Jahr durch Wort und Tat völlig unqualifizierte Statements gegen das Informationszeitalter abgeliefert haben. Es war ein Lobesschwanengesang auf die kommunikationstechnologiefeindlichsten und kulturpessimistischsten Distinktionsgewinnler! Und -innen!

Die hochkarätige Fachjury:

- Nicole Kolisch (Lohnschreiberin)
- Jana Herwig, Medienwissenschaftlerin (hopefully)
- Manfred Bruckner, Wissensmanager
- Ingrid Brodnig, Journalistin/Falter
- Thomas Thurner, Quartier für digitale Kultur

Und wie schön es war! Feurio!


Hypertext ist was für Schwachmaten!

Aufzeichnung der Gala 2010 aus dem Figurentheater Lilarum (Beginn der Gala bei Minute 13):

Ein Link ist ein Link zu viel!

Nominierungsliste 2010. Juhu!

- Nominierung von Mathias Döpfner, weil er der Gratiskultur endlich einmal den Garaus macht und die Verlegerlandschaft und vor allem vorneweg seinem Medienhaus Axel Springer AG endlich wieder finanziellen Boden verschafft. Damit zeigt er der Medienindustrie den Weg aus der Krise, so wahr die Bild-Zeitung ein Qualitätsblatt ist.

- Nominierung von Josef Ostermayer, stellvertretend für die österreichische Bundesregierung. Diese hat das neue ORF-Gesetz beschlossen, das nicht nur eine Beleidigung für alle GebührenzahlerInnen ist, sondern auch ein Kniefall vor dem VÖZ. Um den Verlegern entgegenzukommen, wurde die Futurezone abgedreht. Die Futurezone stellte ein - wenn nicht das - wesentliche Online-Angebot des ORF dar, das den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllte und abseits von jeder Anbiederung an Moden, Trends oder politische Interessen eine neutrale, eloquente und genau recherchierte Berichterstattung in Sachen Netzpolitik und Technologie zur Diskussion stellte.

- Nominierung von Stephanie zu Guttenberg für ihre Verdienste um die Wegbereitung von Netzsperren und Onlineüberwachung. In Ihrem Kampf gegen Kinderschänder und für Netzsperren scheinen auch drastische Mittel gerechtfertigt. Da geht es schon mal, dass ein Quotensender in Medienpartnerschaft mit der Bild-Zeitung Lockfallen im Internet aufstellt, und den Rechtsstaat mal außen vor läßt.  

- Matthias Horx ist nominiert für seine Verdienste auf dem Gebiet der Zukunftsfehlprognosen. Zuletzt für seine Aussage, ‘Soziale Netze’ seien nur etwas für soziale Verlierer, die sich gerne gegenseitig die Unterhose zeigen. ‘Nuff said.

- Nominierung von Frank Schirrmacher, vielkopierter Beschwörer des Kampfes zwischen Mensch und Algorithmus, Apple-Fanboy mit Hirnforschungshobby ("Multitasking ist Körperverletzung"). Es war aber auch wirklich schon Zeit.

- Nominierung der Firma Kleiderbauer in der Kategorie "Unverhältnismäßigkeit der Mittel", stellvertretend für all die Abmahn- und Klagsfetischisten, die den Unterschied zwischen KleinstbloggerInnen und Medienkonzernen entweder nicht wahrnehmen oder bewusst negieren. Da sollte man meinen, seit der Vorjahresnominierung von Jako und Jack Wolfskin hätte ein Lernprozess stattgefunden. Aber schneckn. Kritiker durch Einschüchterung mundtot machen, ist Dank Kleiderbauer & Co. salonfähig; Privatpersonen mit Prozesskosten niederknüppeln bleibt auch diese Saison modern.

- Nominierung für Bernhard Heinzlmaier. Heinzlmeiers Einzelmeinung, die der Meinungsforscher nach dem Bilde Schirrmachers schuf, übersieht eine wichtige Tatsache: Facebook fragmentiert nicht nur, es provoziert, es schwitzt geradezu Hochkultur: überall rinnt sie heraus, und keiner bewahrt sie, die Hochkultur. Aber man steigt nie rein, kriegt nie nasse Füße, wenn man lauter dämliche "Freunde" hat. Dieses Dilemma muss aber irgendwie abgedichtet werden, bevor Buridans Esel auch noch ertrinkt. Bringen Sie Ihre Rohrzangen mit.

- Die Telekommunikationsanwendung namens Internet hatte der ehemalige ORF-Online-Prophet Franz Manola fest im Griff, manche behaupten sogar, er habe sie erfunden. Nun wird das Internet ja bekanntlicherweise leider weltweit zunehmend unwichtiger und da sah sich Franz Manola schweren Herzens gezwungen auf "HD-Prophet" umzusatteln (böse Zungen behaupten, das hätte etwas mit einem Karrierewechsel zu tun, aber was die Leute auf Facebook so sagen, ist ja nur Blödsinn). Wir gratulieren Franz Manola zu seinem weitsichtigen Gespür für die Erfordernisse der Realität. Als echter Österreicher sitzt man bekanntlicherweise ja ohnehin lieber vor dem Fernseher als am Information-Superhighway und dank Franz Manola kann man sich dort vom österreichischen Super-Duper-Qualitäts-HD-TV in Farbe und bunt berieseln lassen.

Mit offenen Augen läuft die Bourgeoisie in das offene Messer des Scheißinternets. Gerettet werden können diese armen Seelen nur mehr nach dem Vorbild von Nordkorea und China durch eine flächendeckende, EU-weite Internetzensur. Die Content-Mafia und ihr politischer Arm, der Verein für Antipiraterie der Film- und Videobranche (VAP), sowie Justizministerin Claudia Bandion-Ortner haben im letzten Jahr hart an der Einführung solcher "Internetsperren" gearbeitet. Doppelnominierung! Und Prost!

Informationssuperhighwaydings.

Und der Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten 2010 ging an:

+++Staatssekretär Josef Ostermayer+++

Mit dem neuen ORF-Gesetz wurde die Chance vergeben, dem öffentlich-rechtlichen Medium Rahmenbedingungen zu geben, die es in Zukunft so positionieren, dass es seinem Auftrag gerecht werden kann - nicht nur hinsichtlich des traditionellen Rundfunks sondern auch betreffend des Internets. Armin Thurnher spitzte im Falter die zentrale Fragestellung schon 2009 dahingehend zu, dass es darum geht zu entscheiden, ob der ORF zukünftig ein Überzeugungs- oder ein Verführungsmedium sein soll. Da jedes öffentlich-rechtliche Medium seiner Idee nach Überzeugungsmedium ist, sollte sich diese Frage allerdings gar nicht stellen. Sollte. Da sich der ORF zum überwiegenden Teil aus Werbung finanzieren muss, ist er gezwungen sich zu kommerzialisieren und damit – in direkter Konsequenz – den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu gefährden. Alleine auf Grund dieser Positionierung fungiert der ORF als Zwitterding zwischen Überzeugungs- und Verführungsmedium und ist damit der direkten Einflussnahme der Politik ausgeliefert. Um sich die notwendige Zustimmung zum Zwitterding bei den politischen Parteien und also Interessensgruppen zu sichern, wurde das qualitativ hochwertigste Internetangebot des ORF – nämlich die Futurezone – dem Verband österreichischer Zeitungsverleger, kurz VÖZ, geopfert.
Für die vergebene Chance und das Bauernopfer Futurezone wird der österreichischen Bundesregierung und damit dem ressortverantwortlichen Staatssekretär Josef Ostermayer der #wolo10 verliehen.

Die Jury: Nicole Kolisch, Jana Herwig, Manfred Bruckner, Thomas Thurner, Ingrid Brodnig
(Wien, 27. November 2010)

+++Publikumspreis: Austro Mechana+++

Dies wurde in einem gruppendynamisch interessanten Intensivdiskursgerangel bestimmt. Zur Diskussion standen etwa auch Kleiderbauer und Schirrmacher. Aber das Publikum einigte sich auf Austro Mechana.

William Gibson ist verhaltensauffällig. Immer noch.

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(Anmerkung: Auch diese Homeseite wurde in Dreamdings erstellt, mit Stil2, und auch meinem Opa gefällt sie, der ist nämlich Java-Scripter!)