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„Erstes Bild: Und sie erkannten, dass der Himmel die größte Baustelle der Welt ist. Bzw.: Die Verklärung des Heiligen Lord Jim aus der Perspektive von vier Herren in Spezialanzügen“
Lord Jim, eine moderne Don-Quijote-Figur, erschaffen von Joseph Conrad, lebt in einer imaginären Welt der Romanheldentaten, um in der realen – als Offizier auf einem englischen Passagierschiff – um so eindrucksvoller zu versagen. Diese Figur hat sich die Lord Jim Loge zum Namenspatron erwählt. Sie wird 1985 von dem österreichischen Künstler Jörg Schlick gemeinsam mit den deutschen Malern Martin Kippenberger und Albert Oehlen sowie dem Autor Wolfgang Bauer gegründet, die im Rahmen der Vorbereitung ihrer gemeinsamen Ausstellung „Kritische Orangen für Verdauungsdorf“ in Graz aufeinander treffen. Der eigentliche Gründungsakt liegt im Dunkel vorgerückter Stunden eines beliebigen örtlichen Gastronomieunternehmens. Im Eigentlichen stellt sie damit eine prototypische „b’soffene G’schicht“ dar – eine „Schnapsidee“. Als Jörg Schlick nach durchzechter Nacht in wirklich allerletzter Minute das Plakatmotiv für die Ausstellung bei der Druckerei abliefern soll, findet er in seiner Jackentasche eine Bierfilzkrakelei des vorangegangenen Abends: eine weibliche Brust mit Sonnenaureole und Hammer. Besser als nichts! Dies ist der wohlfeile Entstehungsmythos des „Sonne Busen Hammer“-Logos. Unter Zuhilfenahme der beliebten Drogen-Abfallprodukte „Größenwahn“ und „Realitätsverlust“ erarbeitet die Lord Jim Loge die Zielvorgabe, dieses Logo bekannter machen zu wollen als das der Coca Cola Company. Aus der Gemütlichkeit gepflegter ästhetischer Folgenlosigkeit und gesellschaftlicher Ohnmacht in Dolby Surround in den Off-Kunstklitschen innerhalb der Wertschöpfungsketten kultureller Zeichenproduktion macht dies durchaus adäquaten Sinn: nämlich keinen. An der Schwelle zur Symbolglobalisierung (die berüchtigten 90er Jahre sind ja nur noch einen Steinwurf entfernt) errichten Künstler wie Kippenberger, Oehlen und Schlick eine letzte Jausenstation für eine (längst manieristisch gewordene) Verweigerungshaltung. (Für Bauer als Autor ist das selbstverständlich halbwegs egal, aber er hat gerade nichts Besseres vor und auf Lager). Anders gesagt:
„Musst Straße machen, um gehen.“ (Albert Oehlen)
Zu keinem Zeitpunkt war die Lord Jim Loge ein wie auch immer ordentliches Kunst- oder Gegenkulturprojekt. Sie war das Privatvergnügen machistischer Geniekünstlerdarsteller. Wer Mitglied sein durfte, wurde vom inneren Kreis beschlossen und meist waren dies (männliche – Frauen hingegen wurde die Logenmitgliedschaft explizit verwehrt) Personen des Zeitgeschehens, etwa die Rennfahrtlegende Niki Lauda, ohne dass diese davon in Kenntnis gesetzt worden wären. Wer sich hingegen um Mitgliedschaft bemühte, wurde schon aus Prinzip übersehen. Post-Punk-Anti-Haltungs-Hoch-Klassik mit beginnender Zirrhose – as it is.
Als Dokumentationsreihe der Logen-Politik und -Kunst sowie der Gelage und Hochzeitsfeierlichkeiten ihrer Mitglieder beginnt in den frühen 90ern die Publikation der Kunst-Heftchen-Reihe Sonne Busen Hammer.
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