Andrang und Auswurf.

Expressionistische Dichtungen des Marburger Kreises. 1915- 1917.

Mit einem Vorwort von Jost-Udo Kultpfusch.


 

In der Reihe "Krefelder Hefte". Band XIV.

Hrsg. von Manfred Nachsommer und Holgmar Patrickkind.
 


Vorwort

Dieser Band versammelt erstmals Gedichte des Marburger Expressionisten-Kreises um die Industriellenwitwe und spätere Darmstädter Kunstmaklerin Käthe-Thea Brodmerkel. Sie wirkte ab 1915 als Anregerin einer jungen Autorengeneration der Ernst-Otto-Schlehmil-Universität, Marburg. Viele dieser Texte sind hiermit erstmals wieder zugänglich gemacht; ersten Abdruck fanden sie in kurzlebigen Marburger und Wittener Kunst- und Literaturzeitschriften. Mit Karl-Emil Moribunds Zeitschriftengründung "Der First", 1914, entstand eine vielfältige literarische Landschaft in der Niederlausitz, deren Protagonisten sich im "Alten Café" am Odeonsplatz, im Neu-Isenburger Künstlerlokal "Parnaß" und im Umfeld der Cafés der Willemsen-Straße scharten. Bereits im Mai 1916 konnten im "Jahrbuch der Künste" mehrere, der jungen Kunst zugewandte Peridioka verzeichnet werden: Carl Supraleiters "Scarabäus" (1915-1917), Reinhold Borwassers "Der Lichthof" (1916), Hans Schwulsts "Der Neue Jason" (1916), Marie-Luisa Pfahls "Die Primel" (1914-1915) und Heinrich Bundeskelchs "Der Schrein" (1914-1916).

Hier findet sich neben den oft noch in neuromantischer Tradition verhafteten, aber schon ins Expressionistische hineinragenden Dichtungen der Brüder Caspar und David-Friedrich Mehl, die sprachliche Vergegenwärtigungs-Gestik der Gruppe um Stephan Holm, die neben dem von ungestümer Vitalität entflammten Dichterbildhauer Arnold Wollen, dem früh gefallenen Wilhelm Notar - dessen enigmatische Langzeilenverse, die um die Themenbereiche "Aufbruch" und "Verlust metaphysischer Koordinaten" kreisen, seinen Freunden qua Feldpostbrief ergingen - auch die oft im Medium der Worte sich exaltierende nicht mehr-funktionierende Sonettdichtung eines Franz Münz, aber auch das kühl-seziererische, möglicherweise aus dem Studium der Medizin und des Neu-Gälischen geschöpfte "Dichten ohne Gegenstand" des rumänischen Wiedergängers und versierten Pentateuch-Kenners Illu Holzschnitt. Den meisten jedoch dürfte dieser siebenbürgische Autor eher durch seine späte Abhandlung "Die Kritik der Form" (1922) oder seine Dissertation "Feuerbach in Hallstadt" (1912) bekannt sein. Über die Zeit in Marburg schreibt er an den ungarischen Neo-Phallisten und bildkünstlerischen Gestalter der "Daseinslosigkeit des Daseins" (Hans Caries: "Das Wagnis der bildenden Kunst" in der Reihe "Hypothalamus. Philosophische Schriften") Haraß Karstadt: "Wir Jungen sind von seltnem Kunstdurst durchglüht. Emil-Maria Parz hat eben sein neues Stück "Die Schiffer" an der Neuen Schaubühne aufgeführt. In ihm peitscht wilde Daseinsjagd, doch tiefgefühltes Schauen dem alten Gleichnis von dem Weingutsbesitzer neues Leben in innerstes Mark. In den Cafés sitzen wir täglich und beobachten die Ruth-Maria Riemchen, jene Altvordere, wie sie mit dem Verleger Oscar Bitternis verhandelt. Die Kunst ist uns das Wichtigste, ihr wollen wir unser heiligstes Überströmen, gerade in den kriegswirren Tagen des Novembers 1915, schenken. Wenn Du Fräulein Carlotta Hanfbier triffst, so grüße sie recht schön von ihrem treuen Freunde Illu. Vielleicht mag sie mir einmal verzeihen, daß ich ging, wohin ich gehen mußte."

Wer nun mehr erfahren möchte über jene Tage in Marburg, der sei an Otto Mahners und Manfred Warners Schrift "Jahre ohne Goldrand. Expressionismus in Marburg" in der Reihe Schlimme Moderne/Die Modernität des Schlimmen verwiesen. In ihr werden die spezifischen Dichtungsverfahren und die historische Entfaltung im Hinblick auf ihre sozialpolitische Bedingtheit eben jener Dichtung, von der man heute als Marburger Stil spricht, einer profunden und präzisen Analyse unterzogen.

So bleibt mir an dieser Stelle nur noch auf die oft schreiende Aktualität jener damals im Schatten des Marburger Zunfthauses entstandenen Lyrik, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Zeitenklage und rauschhaftem Eskapismus, zwischen Ahnung und Trauer und zwischen Hörsaal und Schlacht an der Marne, zwischen Zweifel und Geworfensein in eine entgottete Welt, hinzuweisen. Gerade uns Heutigen können die Worte des Arztphilosophen Ludwig Einspänner, der den Freunden um Carl-Richard Studier nahestand, ein historischer Ort sein: "Wenn aber eines Jeden Einziges zusammenschießt in einem an den Brüchen und Spannungen dessen, was wir heute als "modern" begreifen, gestählten Gemeinsamen, so mag darin vielleicht noch nicht der unumstürzliche Beweis einer Ästhetik des Aber-Wozu im Sinne Johann-August-Friedrich Shelltankes zu sehen sein. Jedoch ist in einer Zeit deren wehes Wirren sich an sich selbst entäußert durchaus ein jedes Solches schon ein schlechthinniges Mögliches, indem wir nämlich ein Letztes fordern, und darin erst ein Ganzes der Welt konstruieren."

Deshalb, lesen Sie mit Bedacht

Jost-Udo Kultpfusch, Agadir 1971.
 



 
Arnold Wollen

Die Luft wird Sturm
 

Die Luft wird Sturm. Und Häuser klappern

Mit den klammen Menschen. Ein altes Weib legt

Keifend sich zum Tod. Die reinen Jungfraun

Prasseln aus Gedichten. Die Stadt sie

Kreißt und Feuersbrunst und Dorn -

Ein Zögling schreit im Traume nach der Büste

Ein Fuhrwerk kippt, und es ertrinkt die Mutter

Im guten, warmen Brot.

Büroboten erbrechen jauchzend Gräber

Pflücken eis'ge Küsse von verwestem Fleisch

Die Nacht sie bricht aus hohler Dämmerung

Und schlägt den Unflat in ihr schwarzes Wams.


Reinhard Droschk

Verlangen
 

Äther ätzt der Häute zart Geäder

Barracken quellen in wunden Horizont

Ein müder Goethe sitzt weinend vor Piemont

Und Wehgeklag schäumt von der Söhne Väter

Kinder spielen bei den Pferdkadavern

Die Krankheit steigt aus gedunsner Leiber Dunst

Ein Mütterlein klaubt Lungen, Hoden, grunzt.

Der Städte Sturz macht alle zu Ahasvern.

Noch wölbt Verlangen in den Stirnen vieler

Noch bricht ein Brunstschrei aus der Trümmer Schlund

Noch würgt am Schreibtisch müd der Georgeepigon

Doch schon stäubt Nacht der Sterne stet Gewieher

Doch schon gähnt Sterben von der Mutter Mund

Doch schon würgt Thanatos den Georgeepigon.
 


Carl-Richard Studier

Auf Brüder zum Lichte!
 

Reißt fort im Prall der alten Mächte Trutzen

Entsteht zum Kampf der Schächte ew'ger Nacht

Zum Bruderruf formt Eurer Lippen Stutzen

Aus Eurem Drängen der neue Adam lacht.

Ein Leib geschweißt aus tausend Leiber Wollen

Ein Wort, es schwelt aus der Frühlingserde Lieder

Schwelt aus der Schlachten aufgeworfnen Stollen,

Ein Wort, dem Mensch, "Der Friede werde wieder!"

Wo taghell schon der junge Sonnenmorgen

Der neuen Frühe Smaragdgewand entsteigt

Wo sich schon ball'n empörter Jugend Horden

Der Väter Stuben von junger Kraft umreigt.

Titanen sind dem Vorstadtschoß entkrochen

Empörung quillt aus der Münder Zahl

Es hat ein Mensch das einend Wort gesprochen:

"Entstoßt dem Thron den kalten fetten Baal!"

Aus Aschengluten aller Welten Mauern

Aus kalter Steine alpumwehtem Schlaf

Aus der Budiken und der Tore Lauern

Aus des Promethäus ewigwährend Straf

Zum Menschenschwur der Zukunft Wehe klingt

Zum Bruderkuß aller Kehle singt:

Auf Brüder nun, zum Lichte laßt uns wallen!

Auf Brüder fort, die alten Tafeln stoßt

Laßt euch nicht schrecken von der Firniß Krallen

Wenn Werden Euch im neuen Herzen tost.


Ernst-Friedrich Krampf

Ich will in weißem Schweigen kalte Stunden baden
 

Ich will in weißem Schweigen kalte Stunden baden

Will Fragen aus den glutverstörten Himmeln brechen

Will alten Weibern sacht die feuchten Lider schließen

Und in der Schenken Dampf mich mit jungen Hunden balgen

Ich will in hartem Zagen kalter Sterne rühren

Will Keuchen von den schmachen Mündern wischen

Will jedem Ding und jedem Sein mich geben

Und in der Öbster Hain mich mit den Samen jubeln

Ich will in aller Wesen Geheimnisse mich tummeln

Will den Arararat und Umbrien noch sehen

Will in lautem Bersten mich gänzlich noch entmenschen

Als neugebornes Ursein auf Gebirgeszinnen grauen.


Carl-Wilhelm Lieterat

Er onaniert
 

Er onaniert in seiner harten Stube

Eintausendmal schon hat er sich versucht

Ist noch nicht Mann schon, doch Knabe ist er nicht mehr

Die Funzel des Fleisches brennt leise in abendlichem Dämmer

Er träumt in Goethe von Italiens Kunstesküssen

Sitzt nächtens lang mit Robinson am Strand

Er flieht den bleiern-schweren Sonntagsstunden

In seine Kammer, und er onaniert

Er onaniert mit Kraft in Frühlings würz'ger Frühe

Denkt an die Freunde, den dicken Benjamin

Sie sitzen zärtlich beinander auf der Wiese

Reden Schiller und glutig wölbt der Mai

Er zarter Griff am Morgen nach dem Turnen

Ein Strahl aus Licht schießt durch den jungen Leib

Ein leiser Kuß hinter abnormen Turngeräten

Nun onaniert er nicht mehr, liegt schon matt

Fühlt verborgner Lüste wilden Schlummer

Fühlt wie der Schlaf schon härter mit ihm ringt

Ein schwüles Lieben zuckt noch die Lenden

Wie Orient steht zitternentwühlt

Der Samesruch in Jünglingsnacht


Paul Fischmob

Nachtgesang
 

Wins-winselnd stirbt ein kranker Hund

Im klirrend-kalten Gasgeruch

Pilzsucher machten graus'gen Fund

Es schlägt die Nacht in schwarzes Tuch

Ihr schorfig Antlitz ätzvernarbt

Von Zeppelins und Essenstoss

Darin ein Gottesodem darbt

Erstirbt, quillt wasserleichengroß

Ein junger Dichter, strähnig, blond

Der Schweiß hat Poren ihm gebläht

Steht wirren Augs auf dem Plafond

Mit bleiern Stift die Welt er näht

Ein alter Fleischer tritt an ihn

Das Blutmesser geilt im Gewand

So sinkt der Dichter singend hin

Sein Blut ertränkt das dörre Land


Wilhelm-Berthold Krumm

In den Schenken
 

In den Schenken tobt ein keiler Schrei

Ein dicker eitergilber Mann

Sitzt mit der Notzucht zu Tische

Die Lichtpfützen der Bogenlampen

Werfen Dirnen an die Mauern

Einer stochert in einem dicken Buch

Und Fratzen jagen Automobils gleich

Dunstentstiegen durch das kalte Geläut der Zeit.

Ein Dandy säuft, da keift ein Weib

Ein Spazierstock stürzt und bricht das Bein

Die Nymphchen sind müde, sie stürzen Absinth

Ihre Köpfe würfeln der Nachttausendgesichte

Einer sinkt vornüber, ein andrer schwört Rache

Endlich kriecht der Morgen wie Ratten aus den Wolken

Sie zahlen und gehen, ihre Schatten fallen von den Wänden.


Emil Lumbazi-Vagabundus

Spandau
 

Hei so stehen, drehen, gehen

flehen Häuser, lachen, flennen

Gebärerinnen großer Menschen

Die nun vor dem Feuer rennen

Und wie seufzen, häufen, keuchen

Straßenbahnen himmelzu

Greise, Kranke entträufeln Bäuchen

Sterben, werden, immerzu

Ein kleines Kind hat einen Kreisel

Und es jauchzt und schlägt ihn fort

Doch ein Pferd schlägt eine Schneise

Malmt das Kind in sanften Tod

Und ein Schutzhelm pfeift sich rot

Irre sprüht der wirre Kot.
 


August Münchner

Siegfried
 

Im Kognacglas schrillt Drachenblut

Der D-Zug wormst in die Nebelhallen

Im Eisenland

getarntes Gespreitz

Amazonengebürg

In den Dreikampf mit euch!

Quittengelber Mond, umspiel mir den Reif der Ungezähmten,

tauche den Hort in ein blechernes Bellen

beißend durchschneidet es schwarzes Gewälde

schneidet auch mich, wo das Lindenblatt schlief

deckend und nackt auf dem Schulterblatt

bebirke mich, Born!

bis Rakete zerspritzt mir das Mark


Ludwig Freudschüler
 

Aus meinem Stundenbuch

Nun müde sickert Schlacht davon

Nur noch ein Wimmern schmirgelt Luft

Warzenumbrüllt stinkt Scholle Blut

Gekröse ballt Stahlkrise, mörderisches Gehöft des Mondes heftet schwall und gilb

Gelöbnis saust Knochen, wirre, gute Knochen, ein zerfallnes

Kalumett weht russ'sche Weisen

Beklirrt singend der schwille Ton des Eisens

Moose entwellen des Waldes Kram

Runzlichter Äther taut schwärendes Umbra, zerstückt

zu hundertfältiger Narrheit und Graus knäult Graus

So stanken die Toten nach friedlichen Tagen

Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf von Loijewski
 


Otto Secretär

Ein jedes Altes west im Neuen
 

Wo Junimondengluten kalten Eisen

Der Sterne Droschken jählings brüllen Wald

Greift ein Akkord um tausend Herzen Ruf

Und Nachtwind peitscht ein Lied aus Silbertagen

Megärenjubel rümpft der Straßen Harnisch

Nun, Mensch um Mensch tritt feucht noch vor den Richterstuhl

Windflackern schneit zerborstnes Wollen vieler

Wohin kürast Blutdunst in Kampher gilb entlebt

Und Bahre bringt Bahre die schreigellt und sich windet

So schlaf auch Du!


Eszechiel Reetdach

Europa säuft Stierblut
 

Ein Mensch ersteht aus schüttrer Häuser Gruften

Von schwärend Wundbrand eitern überglänzt

Sein Haupt ist Nacht und Mund brockt faulig Worte

Und da ein Zweiter, geht schon neben ihm

In Pulvernebeln wälzt sich sonnenloses Jochvolk

Ein beiern Troß, mutterlos und unumvatert

Einhalb ihrer von grauem Tritt zerstampfet,

Aus Toren bricht nun, gleich kohlgeschwärzt Furunkel

Des Lebens Jauche, pestgebeult und schief

Auf Krücken stacksen Krüppel, auf Kinder gebeugt wanken

Alte

Ein Menschschrei entfährt der hohlen Stadt

Sie recken Fäuste, rütteln Himmel, Götter stieben

Sie zertreten des Olymps feistgefressnes Gottgebälk


Illu Holzschnitt

Hradschin bei Nacht
 

Ein Glutpfeil keltert der tauben Augen Sehen

Und ein Mäander fließt der Häuser Wurf

Um kalten Hügels eingesteintes Flehnis

Vom Veithsdom weht der Zwölfer-Töne Zähnis

Der Bürger heillos-frages Huschen, Schlehen

Stehen auf der pest'gen Nacht wie Schorf

Wie Banneswort über Stadtes starres Dauern

Steht fest und alt der menschgezeugte Molch

Feist kalbt er Angst, oh morsches All-Verhängnis

Du laichst in Traumes quarkgeölter Drängnis

Du Todeszeus mit Deiner Kron' aus Mauern

Reiß weg von mir Schicksals Malaiendolch

Du greifst mich Schrat, wie Wuchrerhand graniten

Durch dunklen Nachtbausch in Schwärze aufgeschwemmt

Packst meinen Schlaf, wirfst ihn in tausend Qualen

Willst den Dionyid an alle Mauern malen

So steh ich sparr bei kregelen Kanaaiten

Und belle, kläffe und stöhne sprachenfremd

Nur guter Mond Du salbst dies Türmen bäuchlings

Es rast noch Wein durch alter Sagen Schläuch'

Ein Prokurist addiert Zahl für Zahl zur Zahl

Das Stiegenhaus ist tausend Giften Kral

Hradschin, Nachtgott, wie stehts Du oben meuchlings

Und schattest bös der Menschen wirr Gekräuch


Nicolai von Rosen

Das Leichenbegängnis
 

Wie schwer und kalt die Nacht noch stand

Und Morgen dunstet schwach nur rings

So trat ich zu dem Rosenstock

Bei dem schon Friederiken saß

Ich griff die zarte, weiche Hand, sprach Worte süß wie Lindenblut

Ihr jüdisch Äuglein zart und weiß, von altgeweinten Tränen troff

Sie sprach: "Ach guter Joachim, ein Schicksalsstein ans Herz mir band"

Der Vater, der mir zürnend sprach:

Nimmer laß ich Dich zum nächt'gen Rosenstock!

Was weiß der kalte, alte Mann, wes Namen mein Herz immerfort

In Wind und Sturm und Mondesduft, Nacht auf Nacht nur immer ruft

Und als ich ihr zum Kuß mich bog und mein Blick in ihr Auge fiel

Da sah ich, daß darin der Tod schon schellenrasselnd Einzug hielt

Es ging nicht lang, da fuhr sie hin, ihr klammer Mund sprach nimmermehr

Und als man sie zur Grube stieß, der Schnee schon übers Land gekrallt

Das Eisgescholl spannt schon den See

Und als der Zug das Eis begeht

Da jähends zackt ein Krachen scharf

Und Mutter, Bruder, Freundin, Knab'

Stürzen in das kalte Loch

Das Pferd ertrinkt, der Onkel schreit

Der Sarg bricht auf, ein fetter Pfaff' wird röchlings Todesvieh

Schließlich liegen Vater, Mutter tief

Der ganze Leichentroß am kalten, klaren Grund

Und Stille weht von Osten in lithurg'schem Gelb

Nur der süße Leib

Der zärtlich-jungen Friederike

Klafft von unten gegens Eis

So geh ich hin und küsse ihr

Durch Eises Bollwerk sacht den Tod

Und blicke sorgend ostengen,

Wo Frühling schon das Land bedroht.
 


 
Richard Wientzek, Franka Schneider, Rainer-Maria Geisler (Hg.)

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