Kaderlassen

Wer spricht schon gerne über Film?
Praktisch alle - behaupten Hannes Auinger und Johannes Grenzfurthner mal unverschämt. Und noch viel unverschämter ist folgende These: über Film zu reden bereitet noch mehr Vergnügen als Filme zu schauen. Denn wer kann "Lord of the Rings" noch besser erzählen als Peter Jackson, Frances Walsh, Philippa Boyen (die AutorInnen von Jacksons Verfilmung) Peter S. Beagle, Chris Conkling (AutorInnen der Bakshi-Version) und J.R.R. Tolkien zusammen? Mann und Frau selber - natürlich.
Ein typischer Fall: Eine Freundin erzählt eine Szene aus einem Film, von der sie total begeistert ist und diese Leidenschaft wird übertragen. Und schon sitzt man im Kinosessel voller Erwartung - da war dann nichts. Der Bericht war besser als das Original. Hätte ich doch besser nur zugehört statt hingeschaut.

Mal ehrlich, wie viele Stunden bist du schon am Telefon gehangen und hast dich über Film unterhalten?
"Kennst du den?" - "Wie heißt der noch gleich der neben der, na du weißt schon, die in diesem Liebesdrama... den haben wir doch damals gemeinsam gesehen..."
Wurde ja sogar schon mal in einer jämmerlichen Kurier-Werbung thematisiert.

Vielleicht ist die Lust am Reden über Film ja eine Überkompensation der defizitären Herkunft. Weil der Film anfänglich nicht sprechen konnte, ignorieren wir im kommunikativen Austausch seinen visuellen und rest-auditiven (Soundtrack und so) Schwerpunkt und quasseln was das Zeug hält, wenn wir über ihn sprechen.

Die Interaktion ...

... macht es besonders spannend. Sprechen über Film macht Vergnügen, weil wir in der Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen zurück sprechen können. Der passive Filmkonsum ist durchbrochen. Über Film zu sprechen ist fast so schön wie selber Filme machen. Nur schöner, weil alle gesundheitsgefährdenden (endlich die Göttin der Beipackzettelwörter wo verwendet) Nebenerscheinungen wegfallen. Selbst scheinbar verbriefte Realos wie George Lucas und F.F. Coppola reden lieber über Film, als dass sie ihn machen. Lucas träumt von einer /produktionsfreien/ filmischen Zone und Coppola redet lieber mit Schauspielern über den Film (Dracula) oder spricht ihnen gut zu (Apocalypse Now: "He's only dead if I say he's dead") als welche zu drehen.

Das macht vielleicht Frontalfilmvorträge so sedativ, weil wir ins reine Konsumieren zurückgezwungen werden - nur ohne Popcorn und so. Deshalb werden wir gemeinsam rumquasseln statt vortragen.

Und was ist die Königsklasse des Kaderlassens? Das filmische Telefonleitungs-Liebesgeflüster, das von Gedanke zu Gedanke springt.

Gestützt vom derben Viagra des Kaderlassen: Standleitung + IMDB. Hilft garantiert jedem stockenden Filmgespräch auf die Sprünge. Damit lässt sich einer Frage wie dieser auf den Grund gehen: Warum ist Arnold Schwarzenegger als Roboter zum Gouverneur geworden und warum hat Rutger Hauer mit viel besseren Ausgangswerten sich nie aus seiner Position des ästhetischen Frondienst befreien können?

Über Film zu reden ...

... ist Internet. Über Film zu reden hat etwas hypertextartiges - um dieses Frühneunzigerwort zu missbrauchen. Die Verlinkung aus Fiktion und Realität, die Film zu der mächtigsten Kulturform werden ließ, führt uns zur Hypertextualmovielanguage. Har har.

Wozu Filme drehen, wenn man darüber reden kann. Wozu ins Kino gehen, wenn man darüber reden kann.

Es ist ein wenig der Ersatz eines Ersatzstoffes durch einen Ersatzstoff. Wie wenn man künstliches Sägemehl verwenden würde, um die Geschmacksträger ins Joghurt zu bekommen. Und es nimmt der Medienkritik ein wenig die Schärfe. Statt nur passiv ein scheinbares Abbild des Lebens zu konsumieren, motiviert man sich zum aktiven Sprechen über ein passives Produkt.

Diese und ähnliche Dinge werden wir, als meine Wenigkeit und Hannes Auinger eingrenzen und ausführen.

PS: Hannes Auinger ist Autor und Vortragender zu Film und TV: research & creation. Forschungsschwerpunkte: Phänomene der Massen(medialen)kultur; kultur/politisch motivierte Inhaltstransformationen im massenmedialen
Verwertungsprozess; Sitcom; Sozialarbeit; geschlechtsspezifische Jugendarbeit. Er recherchiert, forscht, schreibt und lebt in Wien.

PPS: Johannes Grenzfurthner ist Autor und Künstler. Gründungsmitglied der KünstlerInnengruppe monochrom. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Medien und Kunst.

TIMETABLE

Kaderlassen (1): 11. Februar 2004 im monochrom-Raum/MQ. Beginn 20:30. Startthema: Rutger Hauer / Arnold Schwarzenegger
Kaderlassen (2): 8. April 2004 im monochrom-Raum/MQ. Beginn 20:30. Startthema: Buchverfilmung / Filmverbuchung
Kaderlassen (3): 13. Juni 2004 im monochrom-Raum/MQ. Beginn 19:30. Startthema: Gruppensport / Sportgruppen (im Anschluß Europameisterschaftsspiel Frankreich gegen England)