Für eine Stärkung des österreichischen Films im „missing middle“

Ein offener Brief an Förderstellen, Kulturpolitik und Medienwirtschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Filmförderstellen, Kulturpolitik und Medienwirtschaft,

wir möchten auf ein strukturelles Defizit in der österreichischen Filmförderung aufmerksam machen, das vielen Filmschaffenden bekannt ist, aber bisher kaum politisch adressiert wurde: die unzureichende Förderung unabhängiger Filmproduktionen im mittleren Budgetbereich.

Konkret geht es um Projekte, die mehr als ca. 100.000 Euro benötigen, aber deutlich unter dem klassischen Kinofilm-Budget von ab einer Million Euro liegen.

Dieses Segment betrifft:

  • Debüt- und Zweitfilme, die künstlerisch ambitioniert, aber nicht rein experimentell sind
  • Arthouse- und Genreproduktionen bzw. Hybridformen (Essayfilm, Docufiction etc.)
  • dokumentarische Arbeiten mit kinotauglicher Erzählweise
  • Filme, die international konkurrenzfähig sein möchten, aber noch keinen etablierten Marktwert nachweisen können

Während Mikrobudget-Projekte oft durch das Bundesministeriums für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (BMWKMS) oder durch kleinere Landesförderungen unterstützt werden, und größere Produktionen auf etablierte Strukturen wie das Österreichische Filminstitut (ÖFI), den Filmfonds Wien oder Senderpartnerschaften zugreifen können, fehlt für mittlere Budgets eine tragfähige, konsistente Förderstrategie.

Dieses sogenannte „missing middle“ führt dazu, dass zahlreiche hochwertige, unabhängige Filmprojekte entweder:

  • künstlich auf sehr niedrige Budgets gedrückt werden müssen, um überhaupt förderbar zu werden, oder
  • ihr Finanzierungsvolumen unrealistisch „aufgeblasen“ wird, um formale Mindestschwellen zu erfüllen, oder
  • vollständig scheitern, weil sie in keines der Fördersysteme passen.

Wir sind überzeugt: Gerade in diesem Bereich entstehen innovative, risikofreudige Arbeiten, die das Filmschaffen in Österreich bereichern und das kulturelle Selbstverständnis als Kulturnation stärken. Diese Projekte verbinden künstlerische Handschrift, internationale Relevanz und ein Bewusstsein für Produktionsrealitäten jenseits des rein kommerziellen Mainstreams.

Es ist höchste Zeit, diese Lücke nicht länger als „Randphänomen“ abzutun, sondern als zentralen Bestandteil einer lebendigen Filmkultur anzuerkennen.

Wir plädieren deshalb nachdrücklich dafür, dass folgende Maßnahmen diskutiert und geprüft werden:

  • die Einführung spezifischer Förderschienen oder Sonderausschreibungen für mittlere Budgets (ca. 100.000–800.000 Euro)
  • die Vereinfachung von Mischfinanzierungen und flexiblere Kombinierbarkeit bestehender Fördertöpfe
  • eine stärkere Öffnung für internationale Koproduktionen in diesem Segment
  • die Anerkennung von kleineren Arthouse- und Genreproduktionen als legitime kulturelle Projekte mit öffentlichem Förderinteresse

Österreich hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Qualität, künstlerischer Mut und internationale Anerkennung auch aus dem unabhängigen Sektor kommen. Damit das so bleibt, braucht es einen strukturellen Willen, diese „Zone dazwischen“ nicht länger zu vernachlässigen.

Wir laden alle Verantwortlichen und Entscheidungsträger:innen ein, gemeinsam mit der Film- und Produktionsszene Modelle zu entwickeln, wie das missing middle nachhaltig gestärkt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Grenzfurthner und monochrom