NEUER STAND DER AIDS-DISKUSSION
Jakob Segal
III. Ist das AIDS unheilbar?
7. Frühtherapie
Die einzige bisher unter wissenschaftlicher Kontrolle durchgeführte Erprobung der Frühtherapie war der "Concorde Trial", dessen Endabrechnung dem 9. AIDS-Kongress in Berlin unterbreitet wurde. Sie besagt, daß bei Patienten mit 500 T4/kubikmm oder weniger die Behandlung mit AZT die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht im nachweisbaren Maße verlängert. Eine Frühtherapie wäre demnach nutzlos.
Einzuwenden ist zunächst, daß es sich bei "Concorde Trial" nicht um eine Frühtherapie handelte. Die Figuren 6 c und d zeigen, daß etwa ab 500 T4/kubikmm die Antikörper zu verschwinden beginnen. Die Versuchspersonen steigen also entweder ohne den anti-p24-Apparat in die Erprobung ein oder verlieren ihn während der zweijährigen Versuchsdauer. Der Sinn der Frühtherapie ist aber gerade, mit der Behandlung zu beginnen, solange der Immunapparat intakt ist.
Hinzu kommt, daß das AZT die Immunaktivität hemmt. Was bei einer Versuchsperson noch an anti-p24-Antikörperbildung verblieben sein könnte, wird dadurch gehemmt. Die unzweifelhafte virozide Wirkung des AZT kann durch seine immunhemmende Eigenschaft kompensiert oder gar übertroffen werden. Zur Erprobung der Frühtherapie beim AIDS ist das AZT sicherlich ungeeignet.
Aussichtsreich sind die vielen Substanzen, die in vitro das HIV abtöten, im klinischen Versuch aber nicht aufhalten. Bisher ist keine von ihnen einer kontrollierten klinischen Erprobung im Frühstadium unterworfen worden. Dabei ist es höchst wahrscheinlich, daß in der Latenzphase, wenn ein Gleichgewicht zwischen der Vermehrung des Virus und seiner Vernichtung durch das anti-p24 herrscht, eine geringe zusätzliche virostatische Einwirkung das Gleichgewicht zerstören und die Krankheit beenden oder ihren Fortschritt aufhalten muß. Eine wissenschaftliche Erprobung der Frühtherapie ist aber noch nicht einmal geplant, und es bleibt nur noch zu hoffen, daß die 10 Millionen HIV-Infizierten mit ihren starken Selbsthilfe-Organisationen ihren Einfluß geltend machen (Fußnote: Seit der Niederschrift dieses Textes hat die WHO die Zahl der HIV-Infizierten bereits auf 17 Millionen eingeschätzt.)
Als Argument kann dienen, daß das AIDS im Frühstadium in seltenen Fällen spontan völlig ausheilen kann, daß das AIDS also nicht prinzipiell unheilbar ist. Schon vor sechs Jahren wurden die ersten Fälle dieser Art gemeldet. Zuerst wurden sie von der Öffentlichkeit ausgeschlossen, dann als prinzipiell unwesentliche Einzelfälle abgetan, bis sie beim Berliner Kongress in den Mittelpunkt des Interesses rückten. Unter den viel diskutierten "Langzeitüberlebenden" entdeckte man eine ganze Gruppe, über 5% aller Infizierten, mit völliger spontaner Heilung. In diesen Fällen hatte die Krankheit die Frühstadien nicht überschritten. Eine Frühheilung ist also möglich, und Versuche einer Frühtherapie prinzipiell sinnvoll. Unsere offizielle Medizin schließt vor dieser Möglichkeit die Augen.
Interessante Befunde liegen seitens der Anhänger der Volksmedizin vor. Mindestens drei Pflanzen aus der traditionellen Medizin Chinas und zwei Heilpflanzen aus Afrika versprechen eine gute Heilwirkung, doch lassen sich die bisherigen Resultate nur schwer deuten, da Befunde an wahrscheinlich heilbaren Frühpatienten und an unheilbaren Spätpatienten in den Bericht zusammengeworfen werden. Es ist zu hoffen, daß diese Versuche unter Berücksichtigung dieser Differenzen weitergeführt werden.
Zu den Naturheilmitteln im weiteren Sinn müssen wir auch das Aspirin (Acetylsalizylsäure) rechnen. Aus dem als Antiphlogisticum (Fieberhemmer) wirkenden Extrakt von Weidenruten wurde der Wirkstoff, die Salizylsäure extrahiert (Salix, lateinisch = Weide), chemisch synthetisiert, durch Anlagerung einer Acetyl-Gruppe stabilisiert und als Acetylsalizylsäure dem Patienten verabreicht.
Wie bei allen Naturheilmitteln wurde die Wirkung der Salizylsäure nur empirisch erkannt. Das Wasser, in dem Weidenruten vor dem Flechten eingeweicht worden waren, schmeckte bitterlich "nach Medizin" und erwies sich auch als solche. Im Gegensatz zu anderen Erfahrungsheilmitteln kennen wir aber beim Aspirin auch den Wirkungsmechanismus. Er spielt sich auf zwei getrennten Ebenen ab. Schon 1971 erhielt Vance einen Nobelpreis für die Entdeckung, daß das Aspirin bei Entzündungen die Bildung der Prostaglandine unterband. Die Prostaglandine bilden sich aus normalen Bestandteilen der Zelle; sie zerstören geschädigte Zellen, räumen den Krankheitsherd aus und beschleunigen die Heilung. Das erklärt die lindernde Wirkung des Aspirins beim Rheumatismus und - was Vance nicht ahnen konnte - beim ARC-Stadium des AIDS. Als noch zehnmal wirksamerer Prostaglandinhemmer erwies sich das Indometazin. Es könnte sich als zweckmäßig erweisen, Kranke im ARC-Stadium mit Indometazin anstatt mit Aspirin zu behandeln.
Ein anderer, von den Prostaglandinen unabhängiger Wirkmechanismus des Aspirins wurde 1985 von Weissmann aufgeklärt. Es ist bekannt, daß viele Zellfunktionen, wie etwa die Zellteilung, die Degranulation von Granulozyten, die Phagozytose oder die Sekretion von Interleukinen nur möglich sind, wenn eine Zelle sich im Zustand der Dauererregung, Aktivation genannt, befindet. Durch schwache Dosen Aspirin unterdrückte Weissmann die Degranulation von Granulozyten, was nur so verstanden werden kann, daß das Aspirin die Anregung aufhebt. Bei diesem Versuch erweist sich das Indometazin nur als dem Aspirin gleichwertig aber nicht überlegen. Es muß sich also um einen anderen Mechanismus handeln als bei der Prostaglandinhemmung.
Was die AIDS-Therapie anbetrifft, so wisswn wir, daß das Eindringen eines HIV-Virions in die Wirtszelle, seine "Endozytose", nur möglich ist, wenn die Zelle sich im Zustand der Anregung befindet. Eine T4-Zelle in Ruhe ist vom HIV nicht infizierbar; sie muß hierfür entweder durch das IL-1 oder durch einen anderen Reizstoff aktiviert werden. Der Makrophage dagegen ist eine permanent aktivierte Zelle und ist ständig infizierbar. Das Aspirin dürfte die Makrophagen. ähnlich wie die Granulozyten, desaktivieren und uninfizierbar machen. Entsprechende Versuche liegen in der Tat vor, auch wenn die Befunde nicht zur Veröffentlichung in der offiziellen Fachliteratur zugelassen wurden. Jedenfalls zeigen sie, daß das Aspirin in pharmakologischen Konzentrationen die Proliferation des HIV in vivo stark hemmt. Erst ganz kürzlich, im August 1994, veröffentlichte erstmalig die angesehene Zeitschrift "Science" eine Arbeit von Kopp und Ghosh, die eine Hemmung der HIV-Vermehrung durch das Aspirin mitteilen.
Natürlich begegnen derartige Versuche den größten Schwierigkeiten bei der Finanzierung und der Veröffentlichung. Die finanzkräftige Lobby der Pharmaindustrie hat kein Interesse daran, das extrem teure AZT durch den Pfennigartikel Aspirin ersetzt zu sehen, und die modernen virologischen Experimente sind, schon wegen der Anforderung an die Sicherheit, sehr aufwendig und von einem isolierten Wissenschaftler aus seiner Privatkasse kaum zu finanzieren. Es ist daher verständlich, daß in vivo-Untersuchungen der Aspirinwirkung uns fast vollständig fehlen. Etwas günstiger steht es mit in vivo-Versuchen an HIV-infizierten Patienten.
Von einer Erprobung des Aspirins an AIDS-Patienten wird in etwa einem Dutzend kaum zitierter Mitteilungen berichtet. Es handelt sich um Beobachtungen an einem oder wenigen Patienten, die eine statistische Auswertung nicht gestatten. Immerhin ist es beeindruckend, wenn ein Patient durch Verringerung und Steigerung der Aspirindosis die T4-Zahl zu senken und zu heben vermag. Da die meisten dieser Patienten im Vollbild-AIDS-Stadium, also a priori unheilbar waren, lassen diese Versuche keine Schlüsse zu, ob eine Frühtherapie mit Aspirin das AIDS im symptomfreien Stadium heilt, stabilisert oder ihr Fortschreiten nur verzögert. Eine starke Linderung der ARC-Symptome durch Aspirin oder Indometazin ist auf Grund vorliegender Befunde mit Sicherheit zu erwarten.
Das Aspirin ist für jeden Gebrauch freigegeben und rezeptfrei käuflich. Eine Genehmigung für Versuche an AIDS-Infizierten ist als unnötig. Gruppen von AIDS-Selbsthilfen könnten leicht eine "Cohorte" organisieren, deren Mitglieder sich verpflichten, das Medikament in vereinbarter Dosis einzunehmen und sich regelmäßig einer ärztlichen Kontrolle zu unterziehen. Da alle diese Gruppen mit AIDS-Ärzten zusammenarbeiten, wäre die fachgerechte Erfassung der Befunde kein Problem.
Sollte sich das Aspirin als wirksam erweisen, wäre es ein ideales Heilmittel für die III. Welt. Es ist ein Pfennigartikel, der überall in unbegrenzten Mengen zu haben ist. Die Dosis, 2x täglich eine Tablette von 500 mg, wird unbegrenzt lange ohne schädliche Nebenwirkungen vertragen. Die Tablette schmeckt werder gut noch schlecht; keine Gefahr, daß sie als Bonbon verschenkt ode ausgespien wird. Die Verteilung erfordert keine qualifizierten Kräfte. Wo keine Sanitärstelle besteht kann gefahrlos der Dorfpolizist die monatliche Handvoll Tabletten ausgeben. Der niedrige Preis ließe einem schwarzen Markt keine ausreichende Verdienstspanne.
8. Gegenkräfte
Seit Jahren läuft bereits unterirdisch die Diskussion über die Frühtherapie. Ich sage "unterirdisch", denn offiziell ist dieses Thema tabu. Die Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen lehnen Beiträge zu diesem Thema ab, medizinische Verlage drucken keine Bücher, die dieses Problem berühren, und erst in diesem Jahre gelang es mir, zwei kurze Artikel zum Thema Frühtherapie in einer Ärztezeitschrift unterzubringen (Fußnote: Segal, J.: Möglicherweise ist das AIDS im Frühstadium heilbar; Forum Immunologie, ????? (9/10) p. 15-16, 1992 sowie Segal, J.: Der Tumornekrosefaktor und die klinischen Symptome; Forum Immunologie, 3, (3) p. 14-18, 1993). Nun, ein AIDS-Patient schluckt bis zu seinem Tode etwa für 24 000 $ AZT und für 10 000 $ andere Medikamente; bei durchschnittlich 160 Tagen stationärer Behandlung kassiert ein amerikanisches Krankenhaus etwa 100 000 $. Ein Vollbild-AIDS-Patient in einem Industrieland ist ein Huhn, das täglich ein goldenes Ei legt. Es wäre ein Verbrechen gegen die Wirtschaft, ihn vorzeitig mit einem billigen Medikament zu heilen.
Neben dieser finanzkräftigen Lobby stehen die politischen Interessen der USA. Der Nachweis, daß das HIV nicht aus Afrika stammt sondern in einem Militärlabor konstruiert wurde, veranlaßte mich, einen genauen Vergleich zwischen dem AIDS und der Visna-Krankheit vorzunehmen, und deren Identität zwang zu der Erkenntnis, daß es sich in beiden Fällen um eine Makrophageninfektion handeln muß, da bei der Visna-Krankheit die T4-Zellen nicht angegriffen werden. Nur auf dieser Grundlage konnte eine deterministische Beschreibung des Krankheitsablaufs entwickelt werden, die zur Gewißheit führte, das AIDS würde durch Zerstörung des Thymus unheilbar, und zur Vermutung, das AIDS könnte in früheren Stadien geheilt werden. Bewahrheitet sich das, so würde die Heilung des AIDS zum unwiderlegbaren Beweis für den gentechnischen Ursprung des HIV.
Wie groß die Angst vor der Aufklärung der Beziehungen zwischen HIV und Visna-Virus ist, zwigt der Kampf um das Modelltier. Es ist entscheidend wichtig, über ein Tier zu verfügen, bei dem der menschliche Erreger die gleiche Krankheit hervorruft, und an dem man ohne ethische Hemmungen den Mechanismus der Infektion, neue Immunstoffe und Medikamente ausprobieren kann. Für die Tuberkolose haben wir das Meerschweinchen, für die Kinderlähmung den Rhesusaffen; für das AIDS war bisher alle Suche vergebens. Ich kenne zwar sechs Arbeiten namhafter Veterinärmediziner, die die Ähnlichkeit zwischen dem AIDS und der Visnakrankheit betonen und ihren Kollegen von der Humanmedizin empfehlen, versuchsweise Schafe mit dem HIV zu infizieren. In der medizinischen Fachpresse wurden diese Vorschläge nicht einmal zitiert. Bei einem internationalen Kongress über mögliche Modelltiere für das AIDS steht das Wort Schaf kein einziges Mal im Protokoll.
Nun geschah es, daß der afrikanische Immunologe, Professor Lurhuma in Kinshasa (Zaire), für seine Arbeiten HIV-Antikörper benötigte. Die aufwendigen im Handel erhältlichen Antikörper konnte er angesichts der schlechten Finanzlage seines Landes nicht kaufen; er infizierte daher Schafe, die prompt die Antikörper produzierten und später an AIDS-ähnlichen Symptomen starben. Unter normalen Bedingungen hätte Lurhuma einen Nobelpreis erhalten, und die Erprobung von Impfstoffen und Heilmitteln hätten auf breiter Basis eingesetzt. Es kam völlig anders.
Zunächst konnte Lurhuma seine Beobachtungen nicht in der Fachpresse veröffentlichen. Ich erhielt einige Hinweise von afrikanischen Journalisten, und empfahl einer französischen Wissenschaftsjournalistin, die ohnehin nach Zaire fuhr, Lurhuma aufzusuchen. Sie brachte mir auf Tonband ein ausführliches Interview mit. Zwei Tage nach diesem Interview wurde Lurhuma gekidnappt, blieb drei Tage verschwunden, verweigerte danach jede neue Zusammenkunft mit der Journalistin und befaßt sich seitdem mit harmlosen Untersuchungen über die Verteilung verschiedener HIV-Stämme in Afrika. Frau Girard veröffentlichte ihren Reisebericht mit Lurhumas Interview in den großen Pariser Verlag Grasset (Fußnote: Rolande Girard: Tristes Chimères. Edition Grasset, Paris 1987). Einen Tag nach der Auslieferung wurden alle Exemplare zurückgezogen, keines gelangte in den Handel.
Die Wahrheit über das AIDS darf nicht ans Licht gelangen, dafür sorgen zwei Giganten, die Regierung der USA und die Lobby der Pharmaindustrie. Gemeinsam lenkten sie die AIDS-Forschung in eine sterile Bahn und sorgten dafür, daß keiner ausbrach. Von den 17 Millionen HIV-Infizierten, die heute hilflos auf den Tod warten, braucht möglicherweise der größte Teil nicht zu sterben. Wir müssen es ihnen nur sagen.