Postkartenaktion an der Bamberger Universität (2000)
Als einzige Aktion der Gruppe
„Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ wird die „Proto-Mail-Art-Aktion“
(Schneider während einer Podiumsdiskussion im Wiener Depot) „Are you
ready for >>Die offene Gesellschaft und ihre Feinde<<“ durchgeführt;
hierzu werden mehrere hundert Gratis-Motivpostkarten, wie sie in der Bamberger
Innenstadtmensa (wie an vielen anderen deutschen Universitäten auch)
in einem eigens eingerichteten Postkartengestell ausliegen, entwendet.
Ingesamt handelt es sich um drei differierende Motive („Stell‘ Dir vor
es ist Uni und keiner geht hin“, „Internationales Management“ und „Ein
offenes Betriebssystem hat nicht nur Vorteile“; letzteres eine Werbepostkarte
von Microsoft, die beiden ersten GewinnerInnenarbeiten eines studentischen
Gestaltungswettbewerbs). Die entwendeten Postkarten werden verfremdet mit
jeweils 3 Frontseitenaufklebern und einem Rückseitenaufkleber, der
die präparierte Karte als Kunstwerk bzw. Multiple ausweist und Informationen
zum Werk enthält: Urheber (Thomann), Titel („Sympathy for the >Die
offene Gesellschaft und ihre Feinde<!“; „Gimmie Gimmie Gimmie >Die offene
Gesellschaft und ihre Feinde<!“; „Paint it >Die offene Gesellschaft
und ihre Feinde<!“), Herstellungsjahr, verwendete Materialien sowie
den fiktiven Preis von 50 DM.
Die Aufkleber stellen dabei
kritisch Bezug zum Golfkrieg her („Die gegen den Irak verhängten Sanktionsmaßnahmen
vernichteten nach internationalen Schätzungen ca. 0.5 Millionen Feinde
der offenen Gesellschaft im Alter von 0 bis 14 Jahre. Das wird den übrigen
3,5 Milliarden Feinden der offenen Gesellschaft eine Lehre sein!“) sowie
auf das von Karl Popper geprägte Schlagwort von der „offenen Gesellschaft
und ihren Feinde“ („Gemeinsam sind wir prima: >Die offene Gesellschaft
& ihre Feinde<“; „>We’ll begin bombing in five minutes!<“; „Die
offene Gesellschaft dankt dem Araber für jahrelange treue Feindschaft“
etc.)
Da die Kästchen des
Gestells mit dem darin befindlichen Motiv überblendet sind, und man/frau
also nicht sehen kann, was sich im Kästchen befindet, stellen Schneider
und Thomann die präparierten Karten wieder ein. Auf diese Weise gelangen
ca. 2000 Postkarten in Umlauf.
„Wir haben über einige
Wochen hinweg die Karten aus den Ständern entfernt und zuhause oder
im Café mit eigens dafür hergestellten Aufklebern versehen
und die so präparierten Karten wurden wieder eingestellt. Das ist
ein dankbares Material und liegt zudem noch kostenlos auf.“ (Schneider
während der Podiumsdiskussion)
Nach der offiziellen Beendigung
der Aktion schreibt Thomann einen Brief an den Bamberger Universitätsrektor
Prof. Dr. Ruppert, in dem er sich von den mit seinem Namen signierten Postkarten
distanziert und erklärt, nichts damit zu tun zu haben. Zwar habe er
sich in Folge des ihm gewährten Stipendiums zu diesem Zeitpunkt in
Bamberg aufgehalten, die Postkarten-Aktion sei jedoch ohne sein Wissen
und seine Erlaubnis durchgeführt worden. Er fordert die Bamberger
Universitätsleitung daher auf, diese widerrechtliche Verwendung seines
Namens in Zukunft zu unterbinden, indem die Karten entfernt werden sollen,
was seines Erachtens Aufgabe des Hausmeisters sei. Zudem sei diese Aktion
ohnehin nur das Plagiat einer von Thomann selbst im Herbst 1985 an der
Wiener Universität durchgeführten Aktion, bei der er gefälschte
Mensa-Essmarken verteilt habe, die auf der Rückseite mit dem Namen
Nam June Paik signiert waren.
In einem zweiten, anonymen
Brief an Ruppert fordert Schneider diesen auf, ihn zu exmatrikulieren.
Weiters enthält der Brief Hinweise zur Auffindung des Urhebers (u.
a. die Quersumme von Schneiders Immatrikulationsnummer-Abschnitten). Es
kommt leider zu keinem vernünftigen Universitätsskandal.
Postkarten Vorderseite:
Postkarten Rückseiten-Etikett:
Thomanns Brief an Prof. Dr. Ruppert
Die Postkarten können für ATS
7 (DEM 1) pro Stück bezogen werden.