Der
Taiwan-Zwischenfall
KILLING IMPERIALISM WITH KINDNESS?
Ein Statement von monochrom
Die São Paolo-Biennale gilt als wichtigste und größte
Kunstausstellung der Südhalbkugel. Sie ist damit Gegenpol
zu der geographischen Konzentration von Kunst und ihrem sogenannten
Kontext im Westen. Die weltweite Hegemonie westlicher Kunst wird
noch immer aufrecht erhalten von der Kunstgeschichtsschreibung
(selbst da, wo sie außereuropäische Kunst überhaupt
einmal wahrnimmt, wie in Carl Einsteins Schrift "Die Negerplastik"),
der ästhetischen Theorie sowie im praktischen Vollzug von
Kunstpräsentation (z.B. documenta) und -diskurs (vom kategorialen
Universalismus bis hinab zur konkreten Medienpräsenz).
Nicht zuletzt deshalb waren wir monochroms erfreut, zwar leider
bloß als nationale Repräsentation eines rassistischen
europäischen Zwergstaats, aber immerhin daran teilnehmen
zu dürfen. Die Verhältnisse vor Ort zeigten jedoch das
enttäuschende Bild der üblichen Ausschlussmechanismen
zumal unter der Kuratorenschaft des Deutschen Alfons Hug, der
sich in kruden Einlassungen zum Ausstellungsthema Metropolitan
Iconographies vom Fenster der Bessergestelltenetage herab an den
wildromantisch-gewalttätigen „urban energies“
unter globalisierten Lebensbedingungen delektierte. Aus der Fülle
an Skandalen sei derjenige herausgegriffen, der uns insofern direkt
betraf, weil er sich in unmittelbarer Nachbarschaft unseres Raumes
ereignete: Chien-Chi Chang war als Vertreter Taiwans eingeladen
worden, jedoch wurde dann quasi über Nacht die Länderbeschriftung
von seinem Raum entfernt und durch „Museum of Fine Arts
Taipeh“ ersetzt. Wie wir später erfuhren, hatte China
andernfalls mit Beitrags-Rückzug und massiven diplomatischen
Verwicklungen gedroht. Ein offener Brief Chien-Chis blieb unbeantwortet.
Georg Paul Thomann, unser Kunst-Avatar, lud KünstlerInnen
verschiedener Länder zu einer Solidaritätsaktion ein.
Nämlich Buchstaben aus den Ländernamenszügen zu
entfernen und Chien-Chi zu übergeben, so dass dieser wieder
„Taiwan“ an der Außenseite seines Raumes anbringen
konnte. Dies wurde abermals über Nacht entfernt, obwohl es
sich nun ja um das Produkt einer künstlerischen Aktion handelte.
Mit dieser Bemerkung soll nicht „unserem Kunstwerk“
hinterhergeweint werden, sondern vielmehr gezeigt, welche Grenze
die Biennaleleitung zu überschreiten bereit ist, um Großmächte
bei der Stange zu halten. Es ging uns nicht um die Frage, welchem
Imperialismus dem westlichen-ökonomistischen, den Taiwan
repräsentiert, oder dem alt-stalinistischen Chinas nun der
Vorzug zu geben sei. (Einige orthodoxe Linke haben uns hierfür
bereits kritisiert.) Am darauffolgenden Tag wurde eine solidarische
Tanzaktion Georg Paul Thomanns („We meet here a 4 o’clock
to have a radical dance performance, we dance the world „Taiwan“)
von mehreren Security-Beamten vereitelt. Diese standen die restlichen
zwei Monate der Großausstellung täglich vor Chien-Chis
white-cube um etwaige Übergriffe der Kritik zu unterbinden.
Wir wollten v.a. Solidarität mit Chien-Chi zeigen, und dass
KünstlerInnen nicht zwangsläufig die Fragmentierung
und Isolierung internalisieren müssen, die ihnen die Struktur
des Kunstmarktes, des Ausstellungsbetriebs sowie derjenigen Ökonomie,
in der diese aufgehängt sind, als kontrollgesellschaftlichen
Imperativ anbefehlen. Die bzw. zumindest einige KünstlerInnen
wurden aus der Selbstbezüglichkeit und Abgeschottetheit ihrer
nationalen Repräsentationskuben, die zugleich ihre Warenförmigkeit
bedeuteten, herausgerissen und psychogeographische Bewegungsmuster
in das bei aller modernistischen Architektur-Phantastik doch bloß
statische Biennale-Gebäude eingeschrieben. Die sind dann
tatsächlich manisch durch die Gänge gerannt.
Reclaim the streets!
[Anmerkung: Viele taiwanesische und chinesische Zeitungen berichteten
auf ihren Titelblättern über den Zwischenfall: Wir bekamen
Schlagzeilen wie "Österreichischer Künstler Georg
Paul Thomann rettet 'Taiwan'"]
"I
AM FROM AUS RIA" - NOBODY GEORG P. THOMANN UND DIE GROSSE DIPLOMATIE
Eine
Analyse von Andreas L. Findeisen
Was hat der österreichische Künstler Georg Paul Thomann als Protagonist
in der Taipeiausgabe der TIMES zu suchen, in einem hochpolitisierten,
dem tatsächlichen Krieg nahen Kontext? Soweit dem Autor bekannt
ist, ist Thomann am internationalen Parkett der Mächtigen noch
nie wirklich aufgeschienen, nicht einmal als jemand, über den
man bei Bedarf getrost hätte hinwegsehen können. Er war einfach
Niemandem aufgefallen, auf den es im Ernstfall wirklich ankäme.
Der im Jahr 1945 in Bödele, Vorarlberg geborene Künstler hatte
zwar schon in seiner Schulzeit vielfältige Aktionsformen für die
Umwelt parat, doch was er an Gerüchten und Spekulationen provozieren
konnte, war bis dahin immer nur gut für den Boulevard oder die
Stammtische seiner Kollegen gewesen und könnte letztlich nur in
der Kunstgeschichte seinen Platz finden.
Es kam jedoch anders, und dies sollte zu denken geben: als das
österreichische Bundeskanzleramt im Jahr 2001 nach einer geeigneten
Person suchte, die die Teilnahme des Landes an der honorigen Biennale
São Paulo in Brasilien vorbereiten würde, nahm ein Prozess seinen
Anfang, den man im Rückblick leicht als Kettenreaktion fehlinterpretieren
könnte. Man wählte aufgrund offensichtlicher Vorzüge die Leiterin
der Moderna Galeria in Ljubljana, Zdenka Badovinac. Diese entschied
sich nach einigen Recherchen in Wien und Umgebung für Georg Paul
Thomann, damals 56 Jahre alt. Diesem wiederum kam die ehrenvolle
Einladung ohnehin zu spät und er wollte sich nicht nur endlich
als Großkünstler feiern lassen, sondern auch noch die Rolle des
Ermöglichers für jüngere Talente spielen. Er erklärte sich also
selbst zum Co-Kurator und holte, nach Rücksprache mit Frau Badovinac,
den Maler Richard Wientzek, das Medien- und Bastelkollektiv Monochrom,
die Konzeptkunsttruppe 320x200 und den A/V-Artist Tonki Gebauer
mit ins Transatlantikboot. Doch sein Kalkül hierbei darf nicht
übersehen werden: Er selbst stilisierte sich im österreichischen
Pavillon zur absoluten Mitte, zur conditio sine qua non des Nachwuchses
und nannte seine Installation "Selbstportrait als Österreichs
höchster Berg - I am winning my religion" - die vier Jugendgruppen
wurden gleichsam zu Tourismuszentren und um seinen naturgewaltigen
Kunstthron gruppiert. Sie spielten das hintergründige und eigentlich
böse Spiel mit devotem Ernst und - warum nicht - Blick auf den
eigenen Marktwert mit. Die Biennale São Paulo ist schließlich
nicht irgendetwas, sondern seit 50 Jahren die bedeutendste Kunstgesamtschau
der südlichen Erdhalbkugel.
Auch wenn Taiwan auf der nördlichen Hälfte liegt, hatte es bis
zum März 2002 ganz andere Sorgen, und dies wird sich vorerst nicht
ändern. Um diese Sorgen in ihrer Hybridität zu verstehen, ist
es ratsam, zum Verständnis der möglichen Kunstgeschichte ein wenig
reale Geschichte aufzuarbeiten. An die Arbeit:
Im Sinne schriftkultureller Historiographie gibt es Taiwan schon
etwas über 400 Jahre. Nachdem holländische Kolonialisten chinesische
Landarbeiter vom Festland holten, vermählten sich diese allmählich
mit den malayo-polynesischen Ureinwohnern und "a new race was
born: the Taiwanese". Dann übernahm der berüchtigte chinesische
Pirat Cheng Cheng-kung (Koxinga) das Eiland (1662), selber ein
Anhänger der Ming-Dynastie und auf der Flucht vor der Ch´ing-Dynastie.
Immer mehr chinesische Festländer begannen, auf der Insel zu siedeln,
allerdings nicht als Abgesandte Pekings, sondern als Flüchtlinge
vor Hungersnöten. Spätere, vorsichtige Versuche der Kaiser aus
Peking, Taiwan zu kontrollieren, führten immer wieder zu Konflikten
mit den eigensinnig werdenden Insulanern. Sie alle spiegeln sich
in einem Sprichwort, welches aus diesen Jahren überliefert ist:
"Every three years an uprising, every five years a rebellion."
Als 1870 taiwanesische Piraten amerikanische, japanische und französische
Schiffe kaperten und die betroffenen Regierungen ihre Protestnoten
an den chinesischen Kaiser sandten, entgegnete dieser achselzuckend:
"Taiwan is beyond our territory." Die aufgebrachten Franzosen
entsandten eine eigene Flotte zur Sicherung der Handelsroute,
konnten ihre Herrschaft jedoch nur über neun Monate und nur über
Nordtaiwan erhalten (1884/5). Denn mittlerweile hatte Japan sich
entschlossen, seinen Einfluss nach Süden zu erweitern und die
chinesischen Herrscher der Manchu, sonst keine Seefahrer, entdeckten
endlich durch die Macht mimetischer Rivalität (man wird begehrlich
erst im Blick auf den Blick eines anderen Begehrens) ihr Interesse
an Taiwan. Im Jahr 1887 wurde es zwar zur "Provinz" des chinesischen
Reiches erklärt, doch nur acht Jahre später siegten die Japaner
im "Sino-Japanischen Krieg". Der "Vertrag von Shimonoseki" (1895)
übertrug diesen Besitzanspruch "auf Dauer" an Japan (nicht wie
im Fall Hong Kongs "für 99 Jahre").
"Allein diese acht Jahre war Taiwan nun tatsächlich ein besetzter
Teil des chinesischen Reichs" - sagen heute die taiwanesischen
Historiker. Chinesische Kommunisten allerdings hören heute eher
auf Historiker, die aus früheren Okkupationen ein "schon immer"
ableiten.
Doch vorerst ist es gar nicht die jeweilige chinesische Zentralregierung,
die den freiwillig insulierten Taiwanesen das Selbstverwaltungsrecht
streitig machen will. Damals versuchte man, sich der gewaltsamen
Inkorporation durch Japan zu erwehren: Mit Hilfe dissidenter Manchu-Beamter
rief man am 25. Mai 1895 Taiwan als die erste asiatische Republik
überhaupt aus und entwarf eine eigene Flagge. Nur vier Tage später
wurde diese Bewegung allerdings von einer 12.000 Mann starken
japanischen Invasion niedergeschlagen, welche genau 50 Jahre,
bis zur japanischen Niederlage am Ende des 2. Weltkrieges, herrschte
und das Land in Industrie, Infrastruktur und Bildung den eigenen
Standards anglich. In dieser Zeit japanischer Vorherrschaft, im
Jahr 1930, gab der große Vorsitzende Mao Tse-Tung, selber in Machtkämpfen
mit der nationalistischen Kuomintang von Chiang Kai-shek verstrickt,
dem amerikanischen Journalisten Edgar Snow folgenden Satz zur
Notiz: "...we will extend them (the Koreans) our enthusiastic
help in their struggle for independence. The same thing applies
for Taiwan."
Dennoch sollte die Tradition des chinesischen Reichs- und Imperiumsgedankens
bald in einer noch hartnäckigeren Form den offiziellen Status
Taiwans, d.h. die Anerkennung einer "eigenen Identität", besetzen:
während des 2. Weltkrieges verlangte im Jahr 1943 Chiang Kai-shek
(in Abwesenheit taiwanesischer Repräsentanten) von den Alliierten,
"Taiwan sei wieder an das (nationalistische, nicht kommunistische,
A.F.) China abzutreten". In der Cairo Declaration stimmte
man dem zu und 1945 erhielten Chiangs Truppen die Erlaubnis "Taiwan
vorübergehend zu besetzen, im Auftrag der Allierten Truppen".
Diese Zustimmung, "an einem verschlafenen Nachmittag in der heißen
Sonne Kairos" (taiwanesische Historiker) vollzogen, sollte für
die selbstbewussten Inselbewohner vier Jahrzehnte lang - und über
die noch zu schildernde Intervention Georg P. Thomanns hinaus
- schwerwiegende Folgen haben.
Chiang beendete zwar die (ohnehin in seinen Tagen gezählte) japanische
Fremdherrschaft, doch entführte er aus dem fast schon kommunistischen
Peking auch die wertvollsten Kunst- und Kulturgegenstände des
alten chinesischen Reiches (zum Schutz vor den barbarischen, traditionsfeindlichen
Sino-Kommunisten) und erhob ab diesem Zeitpunkt nichts weniger
als den Anspruch, mit seinem Restregime in Taiwan auch die weltdiplomatische
Alleinvertretung des gesamten Festlandchinas innezuhaben - er
glaubte gleichsam, das wahre chinesische Archiv im taiwanesischen
Exil für bessere Zeiten schützen zu sollen. Ein Aufstand der Taiwanesen
im Jahr 1947 wurde von seiner Kuomintang (heute KMT) blutig niedergeschlagen,
"18.000 bis 28.000" EinwohnerInnen wurden getötet und der "weiße
Terror" setzte ein, die Verfolgung aller Intellektuellen und taiwanesischen
Führerfiguren über Jahre hinweg. In Folge wurde der 28. Februar
dieses Jahres, der Tag des Aufstand, vielen Taiwanesen zum Gründungssymbol
ihres Unabhängigkeitswillens ("2.28"). Die 15% der heutigen Bevölkerung
allerdings, die mit Chiang -1949 war der Krieg am chinesischen
Festland für ihn endgültig verloren - auf die Insel geflohen waren,
beherrschten den Rest der Einwohner durch die Kontrolle der Medien,
der Infrastruktur, des Bildungswesens und eines eigenen Geheimdienstapparats
- 40 Jahre Regierung unter Kriegsrecht begannen.
Wirtschaftlich konnte die Kuomintang bis 1971 die Substanz Taiwans
erfolgreich ausbauen, doch die diplomatische Alleinvertretung
wurde von der Realpolitik am internationalen Parkett der Mächtigen
nach und nach zu dem Wunschtraum degradiert, der er - im Rückblick
- von Anfang an gewesen war. Richard Nixon und Henry Kissinger
wollten eine "Öffnung nach China" und meinten damit keine Exilregierung.
Der Sitz der Kuomintang bei den Vereinten Nationen wurde auf Peking
übertragen und die chinesischen Besatzer Taiwans wurden zum Spielball
der Weltpolitik, während sie auf ihrem chinesischem Kulturarchiv
saßen und hilflos zuschauen mussten - Anerkennung in der Repräsentation
ist die Eintrittskarte zum Tanz auf dem Parkett, und die hatten
sie verloren. 1972 unterzeichnete Henry Kissinger nach einem vorzüglichen
Abendessen mit "Maotai und Pekingente" das "Shanghai Kommunique",
die Grundlage für die heutige "Ein China"- Politik der Vereinigten
Staaten. Taiwanesische Historiker erinnern in diesem Zusammenhang
an den "Rand Corporation Report 1985", in dem Kissinger mit dem
Satz zitiert wird: "Nach einem Abendessen mit Maotai und Pekingente
unterzeichne ich alles".
Damit war die erzwungene Herrschaft der chinesischen Nationalisten
Kuomintang (KMT) über Taiwan offenbar schon ausgezählt. Im Jahr
1979 wird sie von der "tangwai"-Bewegung ("outside-the-party")
zuerst an ihrer imaginärsten Seite angegriffen, dem Anspruch nämlich,
immer noch ganz China zu repräsentieren. Daraus entwickelte
sich bis 1986 die Democratic Progressive Party (DFP), die erste
Oppositionspartei, deren Gründung geduldet wird. Zum Jahrestag
des "2.28" werden die ersten öffentlichen Diskussionen zugelassen,
im Sommer 1987 das Kriegsrecht aufgehoben, erste Verwandtenbesuche
nach China erlaubt (man denke an die zaghafte Öffnung der west-
und ostdeutschen Regierungen in dieser Frage, bzw. an Nord- und
Südkorea bis heute). In Folge entwickelt sich die ehemalige 4-Tages
Republik von 1895 mehr und mehr zu einem demokratischen System
westlicher Prägung. Ein einheimischer Taiwanese wird Präsident,
Dissidenten werden freigelassen, das friedliche Eintreten für
die Unabhängigkeit Taiwans steht nicht mehr unter Strafe und mit
der sog. "flexiblen Außenpolitik" wird der Alleinvertretungsanspruch
der KMT faktisch aufgegeben. In den neunziger Jahren gibt es die
ersten freien Wahlen, ausländische Journalisten dürfen ins Land,
der erste Nationalfeiertag wird ohne Militärparade abgehalten,
und vorsichtig nimmt die Regierung halbamtliche Verhandlungen
mit Peking auf und bereitet den "Wiedereintritt Taiwans" in die
UNO vor.
Allerdings: Über 70% der Bevölkerung sprechen zwar den "Minnan"
-Dialekt, das heutige Taiwanesisch, stammen aber aus der chinesischen
Provinz Fujian, 10% stammen aus der chinesischen Provinz Guangdong
(Dialekt: "Hakka"/"Kejia"), nur ca. 1% sind Ureinwohner (malayo-polynesische
Sprachen) und die restlichen ca. 15% stellen die oben schon erwähnten
Festlandsflüchtlinge und ihre Nachkommen. Die verschiedenen Stämme
Taiwans (Foklos, Hakkas und Aborigines) stellen erst nach und
nach die national-insulären sozialen Bindekräfte vor die ethnisch-sprachlichen.
Die ersten Neuwahlen der Nationalversammliung ergeben KMT 71,2%,
DFP 24%. (1991), die erste Neuwahl des Parlaments seit 1948 KMT
53%, DFP 31% (1992). Die Amtssprache ist immer noch Hochchinesisch,
und immer noch lagern wertvollste "Beutestücke" der vieltausendjahrealten
chinesischen Geschichte im National Museum von Taipei. Die Entfernung
vom "Chinesischen Festland" (Xiamen, Prov. Fujian) beträgt ca.
150 km. Der Umfang der Insel misst 36.000 km2 (etwa so groß wie
das deutsche Bundesland Baden-Württemberg). Auf Taiwan befinden
sich zwar kaum Bodenschätze, aber eine Bevölkerung von mittlerweile
23 Millionen Menschen und ebenso mittlerweile das Weltmonopol
der Halbleiterindustrie, einer überlegen machenden Technik. So
konnte man im Boden eine einzigartige Dichte von Bunkern, Abwehrgeschützen
und Raketenwerfern installieren, gegen Begehrlichkeiten, die an
Artikeln wie dem folgenden leicht abzulesen sind:
Chinesische Regierung wird die Intrige der Taiwan-Separatisten
zunichtemachen (17.12.2001)
Das Festland Chinas ist entschlossen und gut vorbereitet, jede
Intrige der Taiwan-Separatisten, das Vaterland zu spalten, zunichte
zu machen.
Dies sagte der Vorsitzende des Büros des Staatsrats für Taiwan-Angelegenheiten
Chen Yunlin am 16. Dezember in Beijing auf einem Empfang anläßlich
des 10. Jahrestages der Gründung der Gesellschaft für Beziehungen
zwischen den beiden Seiten der Taiwan-Straße. Dabei sagte Chen,
die Interessen der Taiwaner Landsleute würden durch die Taiwan-Behörde
geschädigt, wenn diese das "Ein-China"-Prinzip weiter provoziere
oder sogar neue separatistische Aktivitäten plane und Spannung
und Konfrontation schaffe. Weiter forderte Chen die Taiwan-Behörde
auf, der Realität fest ins Auge zu sehen, die Interessen der Taiwaner
Landsleute zu berücksichtigen und das "Ein-China"-Prinzip anzuerkennen.
Hier findet die zeitgenössische Spielart des "Ein China"-Prinzips
seinen Niederschlag, jede offizielle Anerkennung von "Taiwan als
solchem" verhindernd, einerseits noch tropfend von Pekingentensauce
aufs Parkett, andererseits immer noch abseits von reinen Wirtschafts-
und Einflussinteressen argumentierbar. Diese Doktrin ist dieser
Pressemeldung zufolge also im Interesse der Taiwanesen. Dies trifft
zu, solange diese dem Druck einer solchen Strategie nicht standhalten
und die Hoffnung darauf aufrecht erhalten, dass sie die Geschichte
der nächsten 100 Jahre doch auch zum ersten Mal selber wählen,
selber gestalten und selber in eigene Archive niederschreiben
könnten. Auf die Repräsentationen des chinesischen Weltkulturerbes
würde man sicher nach und nach verzichten, wenn das Festlandchina
in Peking für den autogenen Wiederanschluss an seine ruhmreiche,
alte und auch nicht-kommunistische Geschichte bereiter sein wird.
Man verlangt also nach nicht mehr und nicht weniger als dem eigenen
Weg zu einer hybriden, aber verdienten und real möglichen Autonomie.
Deren Unwahrscheinlichkeit entspricht dem Ausmaß, in dem Taiwan
sich als Zulieferer von Mikrochips hat unverzichtbar machen können.
Was in Taiwan entstehen will, ist ein Phänomen der Moderne und,
dank der Insulierung, eines der modernsten in Asien überhaupt.
Deshalb ist man froh über jede Anerkennung dieser Sachlage aus
dem Norden und Westen der großen Geokugel und hier kommt, warum
auch immer, G. P. Thomann ins ernste Spiel:
Artists' action saves `taiwan'
CNA, TAIPEI
Taiwan's protest over the issue of its name at the 25th Sao Paulo
Biennial Art Exhibit in Brazil took a dramatic twist on Sunday,
as six countries donated an English letter each to form the word
"taiwan" for the nation's exhibit hall. A Chinese-language newspaper
reported yesterday that the innovative protest action was the
brainchild of an Austrian artist, George Thomann, who took the
initiative in urging other participants to take an English letter
from each of their respective exhibition name plates to donate
to Taiwan. Thomann took the letter "t" from Austria's name plate
and artists from five other countries followed his lead. The report
said Canada donated the letter "a," Croatia donated the letter
"i," Puerto Rico donated an "o" -- which was cut into two pieces
to form the letter "w," Singapore donated another "a" and Panama
donated the "n."
The cooperative effort was then attached to the name plate on
Taiwan display's shortly before biennial opened. The Sao Paulo
biennial is one of the world's three most important exhibits of
contemporary art. The Taiwan display was originally labeled as
"Chien-Chi Chang, Taipei Fine Arts Museum, Taiwan." Chang, a renowned
photo journalist, is the only Taiwan artist whose works are being
exhibited at the biennial. Three days before the opening of the
show, Brazilian organizers abruptly removed the "Taiwan" from
the name plate without giving any explanation. Chang protested
by closing the Taiwan display and sending a protest letter in
English to the organizers. Copies of the letter were given to
the 190 participating artists from around the world to solicit
their support.
Thomann responded by plastering a bulletin on the closed door
of the Taiwan display on the eve of the opening of the art show
calling for donations of English letters.
"The generous donation made by the six countries has enabled us
to reopen our exhibition hall in time to meet the raising of the
curtain on the biennial show," Chang was quoted in the newspaper
report as saying."The unprecedented move has left the name plates
of each of the donor nations with one letter missing from their
respective national titles," Chang said. "But their missing letters
have helped add an `artwork of protest´ to the dazzling array
of exhibits on display here." Huang Tzai-lang, director of the
Taipei Fine Arts Museum, who is also in Sao Paulo, said that the
new word "taiwan" on the name plate is a creative work of art.
"We admire the artists from the six donor countries for their
courage in standing up to support our protest," he said.
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Thomann ist vielleicht ein Nobody, aber sicher kein Jedermann.
Er hat die Zerstörung der Repräsentation eines zeitgenössischen
Modernismus nicht hinnehmen wollen und flugs eine semiotische
Gegenanerkennung durch einen internationalen Pool von KünstlerInnen
erfunden - ganz ohne Institution - und eine Polka auf dem eigenen,
allgemeinen Parkett getanzt. Kunst kommt eben auch von Kommunizieren.
Die chinesische Delegation, die den Direktor der Biennale São
Paulo zu seinem sehr verständlichen, sehr unintelligenten, äußerst
uneleganten und tatsächlich wertlosen Handeln bewegen konnte,
wird sich gewünscht haben, es hätte ihn, Thomann, nie gegeben.
Dass ihr Wunsch schon seit Urzeiten in Erfüllung geht, kann sie
nun auch nicht mehr aufheitern.
Andreas L. Findeisen lehrt am Ordinariat für Kulturphilosophie
und Medientheorie an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Quellen:
Edgar Snow, Red Star over China, Grove Press; Revised edition
(March 1973), Zitat S. 110
George Kerr, Formosa Betrayed, Da Capo Press; Reprint edition
(June 1976) Home Rule Movement
Grundlegende Daten zu Taiwan aus taiwanesischer Sicht:
http://members.tripod.com/~Tw_De/html/TWPAPERg.htm
http://www.taiwandc.org/hst-1624.htm
Grundlegende Daten zu Taiwan aus Festlandchinesischer Sicht, (auf
deutsch übersetzt):
http://service.china.org.cn/link/wcm/Show_Text_g?info_id=21017&p_qry=taiwan
Die Homepage der taiwanesischen Bürgerrechtsbewegung World United
Formosans for Independence (Wufi)
http://www.wufi.org.tw/eng/ngon228.htm
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