Zu
diesem Zweck konzipiert wiederum Thomann eine image-light-incarnation-installation
("Self-portrait as Austria’s Highest Mountain [I’m
Winning My Religion]"), in deren Rahmen er als Kurator-Künstler
vier junge österreichische KünstlerInnen bzw. KünstlerInnengruppen
(320x200, Tonki Gebauer, monochrom und Richard
Wientzek) präsentiert, zugleich sich selbst aber als Zentrum
der so entworfenen mental map inszeniert; nämlich als Großglockner
(der höchste Berg Österreichs), um den die vier Gruppen
bzw. EinzelkünstlerInnen sich wie Feriendörfer lagern.
Diese Herangehensweise
versucht die Problematik nationaler Repräsentation im Kunstkontext
– also weder ein Land repräsentieren zu können,
noch es repräsentieren zu wollen – aufzugreifen und
fruchtbar zu machen. Hierzu wurde nicht nur ein schon etablierter
nationaler Großkünstler erarbeitet, nämlich Thomann
(in dessen Namen und Biographie sich die "österreichische
Kunstgeschichte" mit allen progressiv-avantgardistischen Momenten
von Kunst, linker Politik und Pop seit den Sechziger Jahren verbindet),
sondern zugleich das künstlerisch-kreative Nachwuchs-Reservoir
eines Landes: der Standortfaktor "Kunst". Dass es dabei zwei der
vier von Thomann kuratierten Projekte/Personen wirklich gibt,
ist – wie alles Wirkliche – rein zufällig.
Die zwar amorph,
jedoch keineswegs unstraff organisierte Thomann-320x200-Richard
Wientzek-monochrom-Tonki Gebauer-Substanz legt größten
Wert darauf, damit folgendes zum überschäumenden Ausdruck
bringen zu wollen:
Sowohl das ästhetische Starsystem – die Selbstzentralisierung
des Thomann-Berges in der ja noch immer (auch im Ausstellungskatalog
und in den offiziellen Presseaussendungen) Thomann zugeschriebenen
Installation – als auch die kapitalistische Durchformung
künstlerischer Repräsentation als Kunst-Markt sollen
in dieser Weise aufs unerbittlichste vorangetrieben und akzeleriert
werden, insofern ja Geschwindigkeit immer auch Auflösung
bedeutet.
Bei der Jung-Kunst-Gestaltung
erschien es demzufolge von größter Wichtigkeit, in
nachgerade fotorealistischer Manier und mit einer gewissen selbstverliebten
Altmeisterlichkeit, reelle Tendenzen der österreichischen
Gegenwartskunst exemplarisch zu erfassen:
-Richard Wientzek
stand dabei für eine Wiedergewinnung realistisch-gebrochener
Salonmalerei;
-320x200 für globalisierungskritische Konzeptkunst;
-monochrom für osmotic target art und
-Tonki Gebauer sollte die Entropie sowohl auf dem zeitgenössischen
Videokunstsektor als auch der Neuen Wiener elektronischen Musik
programmhaft übererfüllen.
Das heißt:
Gebauers Arbeit stellt den Versuch dar, Fritz Langs Stummfilmklassiker
"Die Nibelungen" von 1924 szenisch/bildtechnisch zu remixen und
mit einer eigens generierten üblichen Tonspur zu unterlegen.
Langs Film ist dabei insofern von größtem, zu portraitierendem
Interesse, als er nicht nur ein frühes Zeugnis für die
Etablierung und Propagierung rassistischer Stereotype im noch
jungen Medium Film darstellt. – Langs Hunnen scheinen in
proto-nazistischer Diktion Termiten nachempfunden: gebückte,
lichtscheue, in Erdlöchern hausende Kreaturen, deren Daseinsmodus
ein eigentümliches Wimmeln ist. – Er begründet
zugleich jene bildmediale Tradition von Heldentum mit, die vor
allem in der expliziten Gewaltdarstellung ihren Grund hat. Die
bereits aus der literarischen Tradition bekannte Koppelung von
(kolonialistischer) Gewalt und Heroismus wurde mit den neu gewonnenen
Visualisierungsmöglichkeiten filmisch-fotographischer Reproduktion
forciert. Zur Herausarbeitung dieses Aspektes wurde das Material
mit den bekannten Kompositionselementen von Kriegsberichterstattung
auf CNN gegengeschnitten; z.B. nächtliche Luftaufnahmen der
Operation "Desert Storm" oder die Einblendung des Senderlogos.
Ebenso werden die Thematisierung und Funktionalisierung des Nibelungenliedes
durch die im 18. Jahrhundert entstehenden nationalen Repräsentationskontexte
aufgegriffen und bearbeitet: Langs Film ist per Insert explizit
"Dem deutschen Volke gewidmet", was die Schnitttechnik
des Remixes genüsslich wiederholt.
Dem gegenüber
steht mit dem Nibelungenlied ein Text, der frei von solchen historischen
Aufpfropfungen und Indienstnahmen für heutige RezipientInnen
überhaupt nicht verstehbar ist, da seine epistemischen Einschreibungen
auch philologisch keineswegs je decodierbar sein können.
Das im Text formierte Denken bleibt einer heutigen Lektüre
verschlossen: "Oh my God, they use a history which repeats
itself", lässt Gebauer sterbend einen Hunnen qua Texteinblendung
ausrufen.
Die Einarbeitung
von bekannten, zum Teil bearbeiteten Zitaten aus dem Fundus der
Popkultur stellt dabei möglicherweise die ikonografische
Verbindung von Repräsentationalismen in Tradition und Gegenwart
her und verweist damit u.U. auf einen epistemischen Zusammenhang,
der in der (bürgerlichen) Idee der Repräsentation selbst
miterzählt ist.
Ebenso verweisen
die materialästhetischen Bezugnahmen der Tonspur auf aktuelle
Formen und Materialbehandlungsweisen elektronischer Musiken, die
diese ästhetische Idee der Repräsentation neu, aber
treu aufgreifen; etwa wenn Gebauer einen kaputten CD-Brenner als
Percussion-Instrument mit Wireless L@n-Adaptern bearbeitet (bei
Minute 25:06 der Tonspur).
Vergleichbare
Bildbearbeitungsstrategien bemühen sich darum, das Nibelungenlied
in seiner filmischen Interpretation durch Lang als optisches Ereignis
nach kritischer Bewusstseinslage der Bearbeitung wie nach Erfüllung
der Ansprüche eines gehobenen Unterhaltungsbedürfnisses
an zeitgenössische, sich als avantgardistisch/fortschrittlich
verstehende Kontexte anzuschließen. Man/frau kann Erwartungshaltungen
schließlich nicht nicht erfüllen!
Im Besonderen
geht es hierbei auch um die Darstellung und Rezension von realexistierenden
Kontexten anhand ihrer genrefizierten filmischen Bespielung: das
Experiment am Bild-Material wird als Umgangssprache verstanden
und (zumal: fotographisch!) entwickelt. Und dann auch, weil es
Spaß macht, wie jedermann zu reden und zu sagen: die Sonne
geht auf, wenn alle wissen, dass dies eben eine Redensart ist.
Daher wurde u.a. versucht, sämtliche im Schnittprogramm präformierten
Videoeffekte im Film als Festival ihrer selbst stattfinden zu
lassen.
Ein solches strukturell-ästhetisches Zuviel ist dem Versuch
geschuldet, Schaueffekte in Überfülle zu erzielen und
somit den technisch-möglichen Zugriff als permanente Überforderung
ins Beliebige zu leben. Bildverdoppelungen bzw. -spiegelungen,
die Einschaltung eines fortlaufend angekündigten Gemäldes
des Kunstmalers A. Hitler und dergleichen mehr erzählen die
Moritat vom Verlust einer narrativen Primär-Ebene –
die allerdings punktuell bereits der Textvorlage inhärent
ist –, die sich nur noch als pseudo-rhizomatische Floristik
der Reihen und Serien generieren kann.
Anstelle somit
eine Deterritorialisierung am vorgefundenen Material vorzunehmen,
leistet diese zeitgenössische Herausforderung durch Technik
jedoch nur dessen Reterritorialisierung als trashkonnotierte Psychadelik,
insofern sie sich nur in relativer Geschwindigkeit ins Ausgangsmaterial,
also Langs Film, verbeißt.
Als besonders
schönes Problem in der Erstellung des Filmes erwies es sich,
das talentiert-dilettierende Nicht-Können Gebauers zu synthetisieren
(was ein Höchstmaß an Professionalität erforderte,
das den Beteiligten aber freilich nicht zur Verfügung stand,
sonst wären sie ja längst gut bezahlt in der IT-Branche
tätig), und dabei kalkulierte Einbrüche ins Geschmäcklerische
in naturalistischer, wenn auch leicht beschönigender Manier
abzukonterfeien.
Ursprünglich
sollte der Film ohnehin lediglich der ad hoc-Auffüllung des
in der Installationsplanung noch nicht charakterisierten vierten
Projektes "Tonki Gebauer" dienen. Die diesbezügliche Aufgabenstellung
(laut Protokoll zum Vorbereitungstreffen vom 20.12.2001): "Da
soll irgendwas laufen, damit die Ausstellung echt aussieht. Da
stellen wir halt einen Fernseher hin und einen Videorecorder,
das ist eh’ billig" wurde leider brutal übererfüllt.
Statt irgendwas zu sein, ist Gebauers Film ein ausgefeiltes und
stark ausformuliertes Dokument menschlicher Gestaltungswut.
Im Endeffekt
erwies sich Gebauers Film-Kolportage als aufwendigstes Element
der Ausstellung. Leider verbrauchen die letzten 10% Missratenheit
ja immer 90% der Zeit. Vom Geld ganz zu schweigen.
Der Film ist
der internationalen Kunstszene, vor allem allen Kuratoren und
Kuratorinnen sowie allen Schulklassen gewidmet, die da durch müssen.
Denn da müssen sie durch.
Frank
Apunkt Schneider / Johannes
Grenzfurthner 2003 |