>>Versuch, einen Versuch des fiktiven Wiener Elektronikmusikers, Videokünstlers und Label-Betreibers Tonki Gebauer (geb. 1972) zu emulieren, der einen kritischen Videobeitrag zu Fritz Langs Nibelungenfilm und Pop (mit englischen und portugiesischen Textelementen) für die Biennale São Paulo erstellt hat, der in Aufmachung und Gestaltung so aussieht, als ob Tonki Gebauer eben erst eine neue RaptorDV-Video-PC-Schnittkarte bekommen hätte und in Adobe Premiere alle Effekte ausprobieren wollte, die er nur finden konnte – nicht ohne sich total darüber zu freuen.<<
(Videoinstallation von monochrom, 2002)
 

Video:
(ca. 1 Stunde)

Quicktime (230 MB)

Windows Media (60 MB)


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Tonki Gebauers Film entstand – ebenso wie Tonki Gebauer selbst – in Zusammenhang mit einer presentation-context installation, die monochrom als offiziellen österreichischen Beitrag für die São Paolo-Bienale 2002 konzipiert hat. ("<Yes, Sir, I can network it out, Sir!> <Smells like team-spirit, Sir!> <We are the World, we are the Children, Sir!>")
Diese Installation bestand darin, den für ein früheres Projekt entwickelten österreichischen Gegenwartskünstler Georg Paul Thomann (1945-2005) als den offiziellen österreichischen Beiträger für São Paolo vorzuschicken.

Zu diesem Zweck konzipiert wiederum Thomann eine image-light-incarnation-installation ("Self-portrait as Austria’s Highest Mountain [I’m Winning My Religion]"), in deren Rahmen er als Kurator-Künstler vier junge österreichische KünstlerInnen bzw. KünstlerInnengruppen (320x200, Tonki Gebauer, monochrom und Richard Wientzek) präsentiert, zugleich sich selbst aber als Zentrum der so entworfenen mental map inszeniert; nämlich als Großglockner (der höchste Berg Österreichs), um den die vier Gruppen bzw. EinzelkünstlerInnen sich wie Feriendörfer lagern.

Diese Herangehensweise versucht die Problematik nationaler Repräsentation im Kunstkontext – also weder ein Land repräsentieren zu können, noch es repräsentieren zu wollen – aufzugreifen und fruchtbar zu machen. Hierzu wurde nicht nur ein schon etablierter nationaler Großkünstler erarbeitet, nämlich Thomann (in dessen Namen und Biographie sich die "österreichische Kunstgeschichte" mit allen progressiv-avantgardistischen Momenten von Kunst, linker Politik und Pop seit den Sechziger Jahren verbindet), sondern zugleich das künstlerisch-kreative Nachwuchs-Reservoir eines Landes: der Standortfaktor "Kunst". Dass es dabei zwei der vier von Thomann kuratierten Projekte/Personen wirklich gibt, ist – wie alles Wirkliche – rein zufällig.

Die zwar amorph, jedoch keineswegs unstraff organisierte Thomann-320x200-Richard Wientzek-monochrom-Tonki Gebauer-Substanz legt größten Wert darauf, damit folgendes zum überschäumenden Ausdruck bringen zu wollen:
Sowohl das ästhetische Starsystem – die Selbstzentralisierung des Thomann-Berges in der ja noch immer (auch im Ausstellungskatalog und in den offiziellen Presseaussendungen) Thomann zugeschriebenen Installation – als auch die kapitalistische Durchformung künstlerischer Repräsentation als Kunst-Markt sollen in dieser Weise aufs unerbittlichste vorangetrieben und akzeleriert werden, insofern ja Geschwindigkeit immer auch Auflösung bedeutet.

Bei der Jung-Kunst-Gestaltung erschien es demzufolge von größter Wichtigkeit, in nachgerade fotorealistischer Manier und mit einer gewissen selbstverliebten Altmeisterlichkeit, reelle Tendenzen der österreichischen Gegenwartskunst exemplarisch zu erfassen:

-Richard Wientzek stand dabei für eine Wiedergewinnung realistisch-gebrochener Salonmalerei;
-320x200 für globalisierungskritische Konzeptkunst;
-monochrom für osmotic target art und
-Tonki Gebauer sollte die Entropie sowohl auf dem zeitgenössischen Videokunstsektor als auch der Neuen Wiener elektronischen Musik programmhaft übererfüllen.

Das heißt:
Gebauers Arbeit stellt den Versuch dar, Fritz Langs Stummfilmklassiker "Die Nibelungen" von 1924 szenisch/bildtechnisch zu remixen und mit einer eigens generierten üblichen Tonspur zu unterlegen.
Langs Film ist dabei insofern von größtem, zu portraitierendem Interesse, als er nicht nur ein frühes Zeugnis für die Etablierung und Propagierung rassistischer Stereotype im noch jungen Medium Film darstellt. – Langs Hunnen scheinen in proto-nazistischer Diktion Termiten nachempfunden: gebückte, lichtscheue, in Erdlöchern hausende Kreaturen, deren Daseinsmodus ein eigentümliches Wimmeln ist. – Er begründet zugleich jene bildmediale Tradition von Heldentum mit, die vor allem in der expliziten Gewaltdarstellung ihren Grund hat. Die bereits aus der literarischen Tradition bekannte Koppelung von (kolonialistischer) Gewalt und Heroismus wurde mit den neu gewonnenen Visualisierungsmöglichkeiten filmisch-fotographischer Reproduktion forciert. Zur Herausarbeitung dieses Aspektes wurde das Material mit den bekannten Kompositionselementen von Kriegsberichterstattung auf CNN gegengeschnitten; z.B. nächtliche Luftaufnahmen der Operation "Desert Storm" oder die Einblendung des Senderlogos.
Ebenso werden die Thematisierung und Funktionalisierung des Nibelungenliedes durch die im 18. Jahrhundert entstehenden nationalen Repräsentationskontexte aufgegriffen und bearbeitet: Langs Film ist per Insert explizit "Dem deutschen Volke gewidmet", was die Schnitttechnik des Remixes genüsslich wiederholt.

Dem gegenüber steht mit dem Nibelungenlied ein Text, der frei von solchen historischen Aufpfropfungen und Indienstnahmen für heutige RezipientInnen überhaupt nicht verstehbar ist, da seine epistemischen Einschreibungen auch philologisch keineswegs je decodierbar sein können. Das im Text formierte Denken bleibt einer heutigen Lektüre verschlossen: "Oh my God, they use a history which repeats itself", lässt Gebauer sterbend einen Hunnen qua Texteinblendung ausrufen.

Die Einarbeitung von bekannten, zum Teil bearbeiteten Zitaten aus dem Fundus der Popkultur stellt dabei möglicherweise die ikonografische Verbindung von Repräsentationalismen in Tradition und Gegenwart her und verweist damit u.U. auf einen epistemischen Zusammenhang, der in der (bürgerlichen) Idee der Repräsentation selbst miterzählt ist.

Ebenso verweisen die materialästhetischen Bezugnahmen der Tonspur auf aktuelle Formen und Materialbehandlungsweisen elektronischer Musiken, die diese ästhetische Idee der Repräsentation neu, aber treu aufgreifen; etwa wenn Gebauer einen kaputten CD-Brenner als Percussion-Instrument mit Wireless L@n-Adaptern bearbeitet (bei Minute 25:06 der Tonspur).

Vergleichbare Bildbearbeitungsstrategien bemühen sich darum, das Nibelungenlied in seiner filmischen Interpretation durch Lang als optisches Ereignis nach kritischer Bewusstseinslage der Bearbeitung wie nach Erfüllung der Ansprüche eines gehobenen Unterhaltungsbedürfnisses an zeitgenössische, sich als avantgardistisch/fortschrittlich verstehende Kontexte anzuschließen. Man/frau kann Erwartungshaltungen schließlich nicht nicht erfüllen!

Im Besonderen geht es hierbei auch um die Darstellung und Rezension von realexistierenden Kontexten anhand ihrer genrefizierten filmischen Bespielung: das Experiment am Bild-Material wird als Umgangssprache verstanden und (zumal: fotographisch!) entwickelt. Und dann auch, weil es Spaß macht, wie jedermann zu reden und zu sagen: die Sonne geht auf, wenn alle wissen, dass dies eben eine Redensart ist.
Daher wurde u.a. versucht, sämtliche im Schnittprogramm präformierten Videoeffekte im Film als Festival ihrer selbst stattfinden zu lassen.
Ein solches strukturell-ästhetisches Zuviel ist dem Versuch geschuldet, Schaueffekte in Überfülle zu erzielen und somit den technisch-möglichen Zugriff als permanente Überforderung ins Beliebige zu leben. Bildverdoppelungen bzw. -spiegelungen, die Einschaltung eines fortlaufend angekündigten Gemäldes des Kunstmalers A. Hitler und dergleichen mehr erzählen die Moritat vom Verlust einer narrativen Primär-Ebene – die allerdings punktuell bereits der Textvorlage inhärent ist –, die sich nur noch als pseudo-rhizomatische Floristik der Reihen und Serien generieren kann.

Anstelle somit eine Deterritorialisierung am vorgefundenen Material vorzunehmen, leistet diese zeitgenössische Herausforderung durch Technik jedoch nur dessen Reterritorialisierung als trashkonnotierte Psychadelik, insofern sie sich nur in relativer Geschwindigkeit ins Ausgangsmaterial, also Langs Film, verbeißt.

Als besonders schönes Problem in der Erstellung des Filmes erwies es sich, das talentiert-dilettierende Nicht-Können Gebauers zu synthetisieren (was ein Höchstmaß an Professionalität erforderte, das den Beteiligten aber freilich nicht zur Verfügung stand, sonst wären sie ja längst gut bezahlt in der IT-Branche tätig), und dabei kalkulierte Einbrüche ins Geschmäcklerische in naturalistischer, wenn auch leicht beschönigender Manier abzukonterfeien.

Ursprünglich sollte der Film ohnehin lediglich der ad hoc-Auffüllung des in der Installationsplanung noch nicht charakterisierten vierten Projektes "Tonki Gebauer" dienen. Die diesbezügliche Aufgabenstellung (laut Protokoll zum Vorbereitungstreffen vom 20.12.2001): "Da soll irgendwas laufen, damit die Ausstellung echt aussieht. Da stellen wir halt einen Fernseher hin und einen Videorecorder, das ist eh’ billig" wurde leider brutal übererfüllt. Statt irgendwas zu sein, ist Gebauers Film ein ausgefeiltes und stark ausformuliertes Dokument menschlicher Gestaltungswut.

Im Endeffekt erwies sich Gebauers Film-Kolportage als aufwendigstes Element der Ausstellung. Leider verbrauchen die letzten 10% Missratenheit ja immer 90% der Zeit. Vom Geld ganz zu schweigen.

Der Film ist der internationalen Kunstszene, vor allem allen Kuratoren und Kuratorinnen sowie allen Schulklassen gewidmet, die da durch müssen. Denn da müssen sie durch.

Frank Apunkt Schneider / Johannes Grenzfurthner 2003