„Zehntes Bild: Wie monochrom 50.000 Flaschen Coca Cola Light beklebt und dadurch die Courage zum eigenen Mut wiederfindet“

Was Werken der bildenden Kunst mangelt, solange sie nicht den Formatwechsel von der Leinwand in die Massengesellschaft hinkriegen, ist jene gleichsam olympische Gleichzeitigkeit, die der „Ware“ scheinbar mühelos zufließt. Die „Ware“ ist die klassische Konkurrentin der „Kunst“. Ungleiche Geschwister (die eine bleich und schwindsüchtig, die andere mit frischem BWL-Bachelor unterm Arm und tatendurstig wie Nachbars Lumpi), die sich um die Leitung des alten Familienunternehmens „bürgerliche Gesellschaft“ zanken. Ihre Strategie hierbei: Aufmerksamkeitsressourcen in ihre Hand zu bekommen.
Auch von diesem Erbfolgestreit handelt das Ziel der Gründerväter der Lord Jim Loge, wenn sie ihr Logo bekannter als das von Coca Cola machen wollten. Die Vergeblichkeit dieses Unterfangens war bereits einbedacht, denn im nachaufklärerischen Spätkapitalismus gilt für die Kunst ein unmissverständliches „Dabei sein ist alles!“
Die Gruppe monochrom einigt sich auf ein Motto: „Für eine Welt der radikalen Schönheit und der exklusiven Flaschen in kleinen Auflagen! Schließlich sind wir alle Individuen – solange zumindest, bis uns irgendwer das Gegenteil beweist.“
monochrom-Mitglied Daniel Fabry stempelt in einer fünfminütigen en passant-Aktion ein Blatt Papier mit „Sonne Busen Hammer“-Logos voll, steckt es in ein Kuvert und schickt es an die zuständige PR-Betreuerin der „Coke Light Art Edition“. Aus Angst, dies könne nicht reichen, schreibt er noch schnell den Namen „Kippenberger“ dazu. Weswegen der Jury auch keine Wahl bleibt: Schließlich ist Martin Kippenberger einer der bekanntesten usw. Also muss das Sujet auf 50.000 Flaschen Coca Cola Light gedruckt werden, die exklusiv im Kunstraum distribuiert werden sollen, und die ersten 5.000 Euro fließen auf die Habenseite des nicht mehr ganz so maroden Unternehmens.
Es folgt der Ablaufplan der dazugehörigen Preisverleihung in der Ovalhalle des Wiener Museumsquartiers, die weiß, was sie will:

„19.00h bis 19.30h - Presseführung durch die Ausstellung durch Doris Rothauer in Begleitung von Veit Salentinig (CCL)
19.30h - Einlass Gäste allgemein in die Arena 21 (Ausstellungsbereich)
20.00h bis 20.40h - Beginn des „offiziellen“ Teils in der Ovalhalle
Moderation: Dr. Doris Rothauer
Begrüßung und Einleitung: Veit Salenting
Projektpräsentation: Doris Rothauer
Enthüllung der Preisträger-Originale sowie Flaschen durch Veit Salenting
Laudatio: Stephan Schmidt-Wullfen
Preisverleihung durch Veit Salenting – Übergabe Urkunde und Schecks an die einzelnen Preisträger
ca 20.40h - Beginn Partyteil“

Das Catering besteht ausschließlich aus Speisen, die mit Coca Cola gekocht wurden. Auf was man/frau nicht alles kommen kann, wenn man/frau auf etwas kommen muss.
Einige Tage später verfasst ein alter Bekannter von monochrom, der sein Prekariat in einer Wiener Werbeagentur ableistet, eine E-Mail an den Helpdesk des Mutterkonzerns in Atlanta.

„Von: X. X.
An: The Coca Cola Company / Helpdesk

I was baffled and shocked, when I saw that in Austria, Europe Coca Cola awarded a group of so called artists with a price for the design of a coca cola bottle. Especially when I saw that the design includes a hammer, a sun and a pair of breasts!!! These artists are well-known chaotics and leftist noisemongers, and now they have managed to use the family-oriented and friendly image of the Coca Cola bottle for their own evil ways. How can Coca Cola allow icons of communism (hammer!), nazi ideology (sun!) and sexism (breasts!) to be put on their bottles? Moreover, the price included a large amount of money!!

X. X., x.x.@x.x.at“

Einige Wochen später erhält er Antwort von der zuständigen Wiener PR-Agentur, die sich den ganzen Quatsch ausgedacht hat (zuzüglich zu einem Rüffel von seinem Vorgesetzten, denn Agentur-Chefs stehen mit anderen Agentur-Chefs durch ein System phantastischer Geheimgänge in Verbindung)

„Von: Y. Y.
An: X. X.
Betreff: Stellungnahme Art bottle edition 2006

Sehr geehrter Herr X.,
ich möchte der guten Ordnung halber kurz zu Ihrem Beschwerdemail in Sachen „Coke Light Art Edition“ Stellung nehmen, das mich auf Umwegen über Atlanta erreicht hat. Mir ist Ihr negativer Zugang eigentlich nur so erklärbar, dass Sie vermutlich zu wenig über die Projekthintergründe informiert sind und folglich einer gründlichen Fehleinschätzung unterliegen. Es handelt sich bei der „Coke Light Art Edition“ um ein sehr anspruchsvolles Kunstprojekt, das als Limited Editon an eine kunstaffine Zielgruppe gerichtet ist. Ich möchte Sie gerne einladen, sich über www.cokelight.at näher darüber zu informieren.

Das von Ihnen bekrittelte Werk „Keiner hilft keinem“ bzw. der Einsatz des „Logos der Lord Jim Loge“ im Rahmen des Gesamtkonzeptes wurde von einer namhaften Jury unter dem Vorsitz von Rektor Stephan Schmidt-Wulffen (Akademie der bildenden Künste Wien) als eines der 3 Siegerprojekte ausgewählt, die entsprechende Begründung des Juryurteils können Sie auf unserer Website nachlesen. Auch auf www.wikipedia.de finden Sie weit reichende Informationen zur Lord Jim Loge, deren Logo, den ursprünglich dahinter stehenden Künstlern sowie dem Künstlerkollektiv monochrom, das seit Dezember 2005 sämtliche diesbezüglichen Rechte erworben hat.

Selbstverständlich steht Ihnen eine kritische Haltung zu, doch bitten wir zu respektieren, dass wir dem fundierten Fachurteil von renommierten und unabhängigen Kunstexperten folgen, die ihrerseits wohl über jeden Verdacht erhaben sind. Weiters sollte offen ausgetragene Kritik zumindest inhaltlich gut recherchiert und sachlich stimmig sein.

Mit besten Grüßen,
Y. Y.“