Die Welt als Tinnitus: Interview zu ‘Masking Threshold’ in Zebrabutter

Thomas Kaestle (von Zebrabutter) hat ein detailreiches (und dennoch nur bedingt spoilerisches) Interview mit Johannes Grenzfurthner über Masking Threshold geführt.
Inhaltliche Shout-Outs an Florian Hofer, Lenja Gathmann, Tina 303, Ethan Haslam, Samantha Lienhard, Jasmin Hagendorfer, Julianne Gabert… und eine Special-Guest-Nennung von David Kleinl.

Johannes Grenzfurthner macht es seinem Publikum mit seinem neuen Film Masking Threshold in vielfacher Hinsicht nicht einfach – ein Prinzip, das er bereits vor drei Jahren mit der verschroben erratischen und assoziativ lexikalischen Dokumentation Glossary of Broken Dreams etablierte. Er dekonstruierte darin populäre politische Schlagworte – mit Gewinn für all jene, die bereit waren, auf schwankenden Thesen diskursive Abgründe zu überqueren. Masking Threshold fordert Denk- und Sehgewohnheiten auf andere Weisen heraus, auch wenn er mit seinem Vorgänger eine verunsichernde Lust an formalen Experimenten teilt – und die Angst vor dem Blick nach unten.

Diesmal erklären keine Stoffpuppen die Unmöglichkeit zeitgenössischer Kunstskandale. Diesmal folgen die Zuschauer*innen einer mikroskopischen Reise durch die Dinge auf dem Schreib- und Labortisch eines aus dem Gleichgewicht geratenden Nerds. Die Arbeitsfläche wird zur wilden Wunderkammer, zum Spiegel einer Gedankenwelt im zunehmend manischen Strudel einer abseitigen Thesenbildung. In seinem vorletzten Langfilm Traceroute schickte Grenzfurthner sich selbst als Protagonisten auf einen Road Trip durch die USA, um seine biografische Genese als Nerd zu verorten: in der Area 51, am Grab von H. P. Lovecraft, in Archiven, Buchläden oder Dildomanufakturen. Das war liebenswert wunderlich und unterhaltsam kontextualisierend.

In Masking Threshold durchstreift der thesenfreudige Provokateur nun die dunklen Seiten des Verbeißens in alternative Perspektiven. Sozial entkoppelte Welterklärungsversuche unter Leidensdruck geraten zum Horror in einem Genrefilm, der mit Erwartungen spielt und bricht, der in Sachen Timing, Dramaturgie, Ästhetik und Erzählweise alternative Wege einschlägt und seine Vorbilder und Inspirationsquellen mutig zu etwas Neuem verbindet. Das kann gar nicht ohne Rumpeln, Ächzen und Funkenschlag gelingen, ohne Anstrengungen auch beim Publikum. Deshalb eignet sich auch hier meine bereits bei Traceroute und Glossary of Broken Dreams bewährte Strategie, mich einem neuen Film Grenzfurthners anzunähern: in einem ausufernden, hakenschlagenden, überlangen Gespräch voller Referenzen, Nerdkram, Exkurse und neuer Herausforderungen.

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