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A Micro Graphic Novel Project
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Baum
By Jürgen Marschal
http://www.marschal.at
"Fertig?" - "Fertig." Dann schüttelte er seinen mittlerweile verkrampften Arm durch, blickte etwas genervt seine ca. einen Meter vor ihm hockende Freundin an und motorsägte den Ast vom Baum.
"Fertig?" - "Fertig." Dann gab er seiner Freundin aufgeregt und wätend Zeichen, sie solle endlich einen Schritt zur Seite gehen und sich vor dem fallenden Baum in Acht nehmen.
"Fertig?" - "Fertig." Dann zerteilte er den Ast in mehrere Stücke, die seine Freundin anschließend einsammelte.
Warum er den Baum fällte? Holzmangel? Lust am Töten von Pflanzen? Nein. Vor wenigen Wochen hatten die beiden ein kleines 8-jähriges Schulmädchen gekidnapped und hier in dieser Berghütte gefangen gehalten, um von den reichen Eltern Lösegeld zu erpressen. Doch der Plan scheiterte, die Kleine musste getötet werden. Da weder er, noch seine Freundin dazu in der Lage waren, einen Menschen durch Gewaltanwendung zu töten, beschloss man, die 8-jährige eine Nacht lang an besagten Baum zu fesseln, wo sie schließlich erfror. Am Baum jedoch klebten noch Blutspuren, weshalb das holzige Beweisstück nun endgültig vernichtet werden sollte. Und genau wie die Leiche brannte nun das letzte Überbleibsel des Mädchens, ihre Blutspur auf einem Ast, im Kamin, und schenkte dem skrupellosen Mörderpärchen Wärme.
Nein, alles nur Spaß. Vergesst es! In Wirklichkeit waren die beiden keine Verbrecher. Er hatte den Baum aus einem ganz anderen Grund gefällt: Seine Freundin war Grafikerin, und sie hatte den Auftrag bekommen, für die Verpackungen von Motorsägen eine kleine Gebrauchsanweisung zu zeichnen; vier kleine schwarz-weiß Bildchen. Daher posierte er in voller Arbeitskleidung und mit Motorsäge für seine Freundin, die, während er den kleinen alten Baum im Garten zersägte, vor ihm kniete und Skizzen anfertigte.
"Fertig?" - "Fertig." Dann legte Sie das Zeichenbrett, auf welchem man die heimelige Kaminszene im Wohnzimmer erkennen kann, zur Seite, und umarmte ihren Freund, der müde und traurig in den Kamin blickte. Anschließend fickten die beiden. Mit Verhütung natürlich. Denn als Zeichnerin für Motorsägenverpackungen verdient man nicht genug, um sich ein Kind leisten zu können. Dabei hätte Sie doch so gern ein Baby. Manchmal, wenn die beiden hier auf dem alten Sofa auf ihrer Berghütte liegen, stellen sie sich mehr aus Spaß und scherzend vor, wie sie schnell endlich an genug Geld kommen könnten. "Naja, also ich bin eher für einen Banküberfall. Oder Kreditkartenbetrug. Das ist es! Oder denkst du wirklich, man könnte viel Kohle erpressen, wenn man die kleine Tochter eines reichen Wirtschaftsschnösel entführt?"
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