monochrom: Stellungnahme zur Netzneutralität

Diese Meldung hat monochrom als Konsultation der EU-Richtlinie, mit der die Netzneutralität eingeschränkt werden soll, abgeschickt. Sie erging an die Europäische Telekom-Regulierungsbehörde BEREC sowie an den österreichischen Telekom-Regulator.


Betreff: Stellungnahme zur Netzneutralität

Sehr geehrte Damen und Herren,

als im Bereich der Digitalen Kunst aktive europäische KünstlerInnen-Gruppe ist das Internet unsere primäre Aktionsplattform. Wir nutzen das Netz seit es für Privatpersonen verfügbar ist. Wir denken daher, über die nötige Kompetenz zur Einschätzung der Lage zu verfügen und möchten folglich unsere Sichtweise auf die Problematik des “angemessenen Verkehrsmanagements” im Internet illustrieren.

Wir stimmen mit dem Entwurf der EU-Verordnung darin überein, dass die Netzneutralität eine der wichtigsten Grundfreiheiten im Internet ist. Nur durch sie sehen wir sicher gestellt, dass Neues entstehen kann. Wir befürchten allerdings, dass mit der Aushebelung der Netzneutralität – und nichts anderes bedeutet die Einführung von Verkehrsmanagement im Internet – ähnlich wie im Offline-Bereich üblich Große noch größer werden. Neue Dienste werden nicht mehr aufkommen können, weil es ihnen an der erforderlichen Kapitalausstattung mangelt, um gegen Große konkurrieren zu können. Alle dann erforderlichen Förder- und Stützungsmaßnahmen für Jungunternehmer kann die Union vermeiden, indem alle Dienste im Netz weiterhin gleich behandelt werden.

Nun stellt die EU-Verordnung ausdrücklich nur technische Gründe und das “Benutzererlebnis” in den Vordergrund, kommerzielle Erwägungen zur Einführung “angemessenen Verkehrsmanagements” dürfen nicht zu Einschränkungen führen. Wir vermuten, dass die Abschaffung der Netzneutralität über die Hintertür der autonomen Mobilität eingeführt wird. Die in Verhandlung stehende EU-Verordnung birgt nach unserer Ansicht speziell auf dieses Segment abzielende Regelungen, denn autonome Fahrzeuge werden von den großen Automobilherstellern als Zukunftsmarkt gesehen. Die Sicherheit autonomen Fahrens kann nach Ansicht der Hersteller aber nur dann rechtssicher garantiert werden, wenn die Fahrzeuge in ständiger Kommunikation mit den Servern des jeweiligen Herstellers stehen. Wir denken, dass das Leben von Insassen in einem autonom fahrenden Fahrzeug generell nicht von einer stabilen Internetverbindung abhängen darf. Wenn hier mit “Milderung der Auswirkung von Netzüberlastung” der Bedarf nach Abschaffung der Netzneutralität argumentiert wird, so können wir dem nicht folgen, denn kein Telekommunikationsanbieter kann 100% Verfügbarkeit einer mobilen Internetverbindung garantieren. Wir sehen den Vorstoß daher als Farce, als Spiel mit dem vermeintlich gefährdeten Leben von Autoinsassen, der nur dazu dient, die Netzneutralität abzuschaffen, um künftige Gewinnmargen zu sichern.

Die Neutralität des Internet ist ein zutiefst demokratisches Verhalten, bei dem große und kleine Anbieter ohne Ansehen von Dienstart und offizieller Einschätzung der Wichtigkeit gleich behandelt werden. Diese Struktur des Datentransports war von Anbeginn zukunftsträchtig, gerade weil Katzenvideos und lebenswichtige Telefonate als gleichrangig behandelt werden. Es kann keine “angemessene Verkehrsbeschränkung” geben – wir sehen das als Anmaßung, die kein Gesetzgeber mehr zu reparieren vermag. Ein Stau ist ein Stau. Der Versuchung, ein Datenpaket als wichtiger einzustufen, darf nicht nachgegeben werden.

Wir ersuchen daher, die Abschaffung der Netzneutralität nicht zu befürworten, unter welcher verharmlosenden Bezeichnung diese auch immer daherkommen möge.

Mit freundlichen Grüßen,
monochrom
MQ Wien / electric avenue
Museumsplatz 1
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