Review von “Wellness As Usual”: Die Wellness-Situation

Aus Krisen und Niederlagen können Chancen werden. Das wissen nicht
zuletzt die Chinesen, die übrigens trotzdem nicht dasselbe Wort für
Krise und Chance benutzen. Und das weiß auch die Kunst- und
Performance-Gruppe monochrom. Einer ihrer Mitglieder führt im deutschen
Bamberg einen Plattenladen. Eine dabei häufig angewandte Taktik: Man
kauft auf eBay Plattenpakete für wenig Geld an, und zwar in der
Hoffnung, dass sich darin einzelne Schätze befinden, die man mit Gewinn
weiterverkaufen kann. Eines dieser Pakete stellte sich für besagten
Monochromler allerdings als Horrorgeschäft heraus. Es war randvoll mit
Wellness-CDs. Absolut unverkäuflich.

Doch monochrom wäre nicht monochrom, wenn sie nicht aus der Not eine Tugend machen würden.
Das Verlustgeschäft wurde zum Ausgangspunkt für die Performance
„Wellness as usual“, in die man noch bis Sonntag im Raum D im MQ Wien
eintauchen kann. Als Zuschauer legt man sich dabei in einen dunklen
Raum. „Dunkel“ meint hier nicht abgedimmt, sondern finster, schwarz –
eine absolute Dunkelheit, die man in den eigenen vier Wänden nicht
hinkriegen würde. Langsam beginnt man Meeresrauschen zu hören. Leichte
Pianoklänge. Walgesänge. Panflöten. So ziemlich jedes Element von
Wellness-Musik, das man eigentlich nur lieben oder hassen kann, je nach
persönlichem Empfinden. Langsam wird die Musik übereinander geschoben,
überlagert, bis sich irgendwann mehrere dutzend Formen der
„entspannenden“ Musik zu einem ohrenbetäubenden Rauschen steigern.

Man liegt also dort, im Dunkeln, hört keine einzelnen Elemente mehr.
Weiß nicht mehr, ob man seine Augen geschlossen oder geöffnet hat. Wird
seltsam körperlos, zeitlos und nur auf sich selbst zurückgeworfen. Und
so funktioniert die Aktion auch als Kommentar auf das
Individualitätsstreben des Menschen: Beim „Wellness“-Begriff schwingt ja
auch immer auch das Sich-selbst-etwas-gönnen mit. Die ganze Woche ist
die Welt, der Job, der Alltag dran, jetzt bist es DU. Deshalb können und
dürfen Wellness-Behandlungen auch teuer sein. Der Mensch belohnt sich
damit selbst. Dahinter steckt aber auch das Dilemma, mit dem „Wellness
as usual“ sehr gekonnt spielt: Der postmoderne Mensch will sich mit sich
selbst beschäftigen, sich selbst ergründen, hat aber gleichzeitig Angst
vor dem, was er dort finden könnte. Deshalb hat er ständig das Handy,
das Tablet oder ein anderes Device in der Hand. Die Stille, das
Nichtstun wird Feindbild. Wenn ich Unbehagen mit mir selbst verspüre,
kann ich die totale Individualität nur simulieren – die eigentliche
Selbstbeschäftigung wird als erschreckend empfunden, weil man dabei
Dinge über sich lernen könnte, die man gar nicht lernen will.

monochrom konfrontiert die Menschen damit gleich mit zwei Dingen, die
sie sonst eher selten erleben: mit absoluter Dunkelheit und sich
selbst. Zur Sicherheit sitzt immer jemand von monochrom mit im Raum, der
auf ein vorher vereinbartes Sicherheitswort hin einschreitet. Bisher
war dieser „Psycho-Bademeister“ aber unnötig. „Wellness as usual“ läuft
bereits seit dem letzten Wochenende. Und nach ein paar Tagen kann man
sagen: Jeder erlebt die Aktion sehr individuell, aber durchweg sehr
positiv. Das erzählt Günther Friesinger von monochrom. Manche sehen
Formen, Landschaften, Tiere vor sich. Viele bedanken sich im Nachhinein
für die ungewöhnliche Erfahrung. Eine Erfahrung, die man diese Woche
nicht verpassen sollte.

„Wellness as usual“ von monochrom läuft im Rahmen des „MQ Summer
of Sounds“ noch bis Sonntag, 20.7., im Raum D/quartier 21. Jeden Tag um
19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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