Die Presse über Ekel — und unsere Eigenblutwurst

Wie wenig die Vernunft den Ekel beherrscht, zeigt ein weiteres Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie essen gerade ein Faschiertes, da kommt der Koch an den Tisch, mit einem Verband an einem Finger. Er habe sich beim Zwiebelschneiden geschnitten und „wie ein Schwein“ geblutet, sagt er, aber dann, beim Kneten des kühlen Faschierten, habe die Blutung nachgelassen. Den meisten wird grausen: Was, dieser Kerl hat ins Faschierte geblutet? Dass in diesem Rinder- und Schweineblut (und womöglich, wie wir in den letzten Tagen gelernt haben, auch Pferde- und Eselsblut) sind, haben wir in dem Moment vergessen: Es ist das Menschenblut, vor dem uns am meisten ekelt.
Das ist unlogisch – genauso wie, dass uns vor einem Wasserglas, in das wir selbst soeben gespuckt haben, graust, obwohl wir regelmäßig ganz ungerührt unsere Spucke schlucken. Die Wiener Künstlergruppe Monochrom ließ Besucher ihr Blut spenden, verwurstete es und bot es ihnen als „Eigenblutwurst“ an. Etlichen grauste davor mehr als vor einer Wurst aus Schweineblut.

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